Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Vorstellung, dass die mittlerweile Fünfzehnjährigen mit dem Feuereifer der unbesonnenen Jugend in den Krieg ziehen sollten, wurde Wittiges ganz elend zumute. Er würde das zu verhindern wissen. Unerfahrene Jungen wie diese fielen als Erste. Zwar hatte er sie, wann immer es ihm die Zeit erlaubte, im Gebrauch der Waffen geschult, aber der Ernstfall der Schlacht ließ sich nicht proben.
„Noch hat der Krieg nicht begonnen, und ich reise nach Metz, um ... nun ja, es fallen noch einige Ratssitzungen an.“
„Du bist kein Ratsmitglied“, wandte Felix ein.
„Im Krieg bin ich ein Heerführer, also habe ich das Recht an Beratungen teilzunehmen, die den Krieg betreffen. Noch einmal: Ihr bleibt hier, ihr unterstützt Pontus und habt acht auf Agnes und die Zwillinge. Lasst sie nicht mehr aus den Augen, behaltet sie unter allen Umständen im Haus.“
Violas Kinder hatten gerade damit begonnen, den Garten zu erkunden. Sie zogen ihre Kreise immer etwas weiter und fanden Unterstützung bei Agnes, die auch gern ihrer Magd entwischte.
„Mach dir keine Sorgen“, brummte Pontus. „Sieh nur zu, dass du heil heimkehrst.“
Sieh zu, dass du dich bei Wandalenus nicht in die Nesseln setzt, hieß die eigentliche Botschaft, die Wittiges durchaus verstand. In der Nacht, als alle schliefen, traf er sich noch einmal mit Pontus zu einer Unterredung unter vier Augen. Sie suchten die Kapelle auf, wo niemand sie belauschen konnte. Zuletzt saßen sie dort noch eine Weile schweigend beisammen, beim Licht einer einzigen Kerze, die nur schwach die kunstvoll gestaltete Platte über Alethas Gruft beleuchtete. In diesem Dämmerlicht wurde ihr steinernes Abbild lebendig. Wittiges rannen kalte Schauder über den Rücken, so sehr war ihr Geist gegenwärtig. Und der warnte eindringlich vor den furchtbaren Zeiten, die kommen würden.
Sogar Pontus verließ die Unerschütterlichkeit. „Hilf uns Herr, unser Gott, ich flehe dich an“, stöhnte er aus tiefster Seele auf.
Die große Ratssitzung, an der alle wichtigen Heerführer auf den Krieg eingeschworen werden sollten, fand immerhin in Brunichilds Beisein statt. So viel Macht besaß Wandalenus nun auch wieder nicht, um sie auszuschließen.
Anfangs sah es sogar nicht einmal übel aus. Es gab tatsächlich außer Wittiges noch andere Männer, die sich gegen einen Krieg aussprachen. Nachdem zwei von ihnen recht bedächtig ihre Meinung geäußert hatten, ergriff Wandalenus das Wort.
„Bitte, seht euch um, dann werdet ihr feststellen, dass ihr Angsthasen in der Minderzahl seid“, ließ er sich großspurig vernehmen. „Alle anderen sind dafür, dass wir uns nicht länger von Guntram auf der Nase herumtanzen lassen und endlich wieder eine Stärke zeigen, wie wir sie zu Sigiberts Zeiten besaßen. Manche von euch können sich noch daran erinnern, wie es war, als ein großer König herrschte, denn das war Sigibert ohne Zweifel. Wir wurden respektiert. Seit seinem Tod ist das anders.“ Sein Blick ruhte bedeutungsschwer auf Brunichild, um allen zu verstehen zu geben, dass eine Frau nicht herrschen konnte. „Auch dux Gogo hat den Niedergang nicht aufgehalten, er war nicht hart genug. Ich bin es, ich fürchte mich vor keinem Krieg.“ Mit großer Geste deutete er auf seine Brust. „Gibt Guntram nicht gutwillig heraus, was ihm nicht gehört, dann nehmen wir es uns.“ Beifallheischend sah er sich um.
Tatsächlich brachen einige in zustimmende Rufe aus. Das genügte Wandalenus noch nicht. Er reckte das Kinn, schoss wilde Blicke um sich und starrte schließlich einen der Widerspenstigen an, einen älteren Mann aus der Gegend von Köln, der sicher schon unter Sigibert gedient hatte.
Wittiges widerte die Bereitwilligkeit an, mit der die meisten wie hirnlose Idioten Wandalenus beipflichteten. Es gab etliche unter den Versammelten, die sich nur im Krieg und beim Beutemachen richtig lebendig fühlten. Im Frieden wussten sie nichts mit sich anzufangen.
„Auf Männer, die zu alt zum Kämpfen sind, verzichten wir gern“, dröhnte Wandalenus weiter. „Entscheidet euch. Entweder ihr seid für Austrasien oder dagegen. Im letzteren Fall habt ihr hier nichts mehr verloren und könnt gehen.“
Stille trat ein.
Natürlich ging niemand. Wittiges sah zu Brunichild, die bleich auf ihrem Stuhl saß. In ihren Augen flammte Zorn auf. Niemand beachtete sie außer Wittiges, sie hatte die gesamte Sitzung über kein Wort geäußert, aber nun würde sie es tun. Er sah ganz deutlich, wie sie sich zu einer Gegenrede
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