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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
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Erdhügel fuhr. Er kam nicht einmal dazu, seine Waffe zu ziehen, als der Angreifer wieder zuschlug. Auch diesmal konnte Wittiges ausweichen, aber Erde spritzte ihm ins Gesicht, er spürte sie knirschend zwischen den Zähnen, und sie geriet ihm in die Augen. Heftig blinzelnd versuchte er zu begreifen, wer ihn so hinterrücks überfiel. War dies Baians nächster und letzter Zug gegen ihn? Der Gedanke verwischte, alles Denken hörte auf, er musste sich voll auf seinen Gegner konzentrieren, der sich anscheinend das Gesicht geschwärzt hatte. Auch noch feige! Unvermittelt sprang kalte Wut Wittiges an. Noch immer konnte er seine Waffe nicht ziehen, aber es gelang ihm, den hinderlichen Mantel abzustreifen. Die Wut befähigte ihn, sich in ein geschmeidiges Tier zu verwandeln, das die Bewegungen des Gegners vorausahnte. Wittiges griff sich eine Handvoll lockerte Erde, schleuderte sie hoch. Ein unterdrückter Schrei verriet ihm, dass der andere nun auch Dreck in den Augen hatte, außerdem taumelte er zwei Schritte rückwärts. Endlich sprang Wittiges auf, griff zum Schwert, stellte aber entsetzt fest, dass er es gar nicht mitgenommen hatte. Er trug eine leere Scheide am Gürtel. Zu spät fiel ihm ein, dass er am Nachmittag das Schwert hatte einölen wollen. Das Schwert, den Dolch und den Scramasax, die drei Waffen, die er sonst stets bei sich trug. Seit die Awaren ihn auf Baians Geheiß abgeholt hatten, damit er der Bestattung beiwohnte, hatte er nicht mehr daran gedacht. Nicht mal wegzulaufen hatte noch einen Sinn. Regungslos blieb er stehen. Auf Bautos Grab den Tod zu finden, war nicht das Schlechteste.
    Der Aware näherte sich wieder, langsam, misstrauisch hob er das Schwert, wahrscheinlich irritierte ihn Wittiges’ plötzliche Ruhe. Wenn bloß nicht das schwarze Gesicht gewesen wäre, Wittiges hätte doch gern gewusst, wer ihm den Todesstreich versetzte. Den Blick fest auf seinen Gegner gerichtet, erwartete er den letzten, den tödlichen Angriff.
    Ein heiserer Ruf ließ den Awaren herumschnellen. Ein zweiter Mann trat hinter dem Grabhaus hervor und stürzte sich auf den Angreifer. Fassungslos schaute Wittiges ein, zwei Augenblicke zu, bevor er seine Chance begriff. Hastig hob er seinen Mantel auf und rannte um sein Leben, das ihm gerade noch nichts mehr wert gewesen war.
    Wittiges schlief in der Nacht kaum, erst gegen Morgen glitt er in eine Art Bewusstlosigkeit, die ihm aber wenig Erholung schenkte und viel zu rasch vorbei war. Venantius weckte ihn unbarmherzig.
    „Der Kaghan erwartet uns“, erklärte er und blickte stirnrunzelnd auf Wittiges hinab. „Die Verhandlungen gehen weiter, sagt Kursich. Was ist? Du siehst grauenhaft aus. Geht es dir so nahe, dass du dein Pferd opfern musstest? Es ist eine barbarische Sitte, aber es war letztlich nur ein Pferd. Du hast noch zwei andere.“
    „Geh weg!“, ächzte Wittiges.
    „Nein“, entgegnete Venantius ungewohnt hart. „Ich bleibe, bis du geruhst, dich auf deine Pflichten zu besinnen.“
    Wittiges griff nach seiner Kleidung und kam ungewaschen und zerzaust in die Versammlungshalle. Er war noch immer wie betäubt und ersehnte nichts anderes, als sich irgendwo zu verkriechen und für nichts mehr verantwortlich zu sein.
    Baian gab sich anfangs geradezu leutselig und betrachtete Wittiges wohlwollend, aber als dieser die Halle verließ, hatte er Zusagen gemacht, die ihm zwei Tage zuvor nicht über die Lippen gekommen wären. Wie erloschen hatte Wittiges allen Forderungen nachgegeben. Die Franken würden auf Jahre hinaus erhebliche Tributzahlungen leisten, die nur dem äußeren Anschein nach als Geschenke zu betrachten waren, und den alten Nichtangriffspakt respektieren, was nichts anderes hieß, als dass sie den Awaren nicht in den Rücken fallen würden, wenn diese erneut einen Feldzug gegen den byzantinischen Kaiser führten, den Oberherrn der Franken. Und die fränkischen Grenzgebiete, die die Awaren in den letzten Jahren so häufig heimgesucht hatten, gehörten nun ganz offiziell ihnen.
    In dem Bewusstsein, das Vertrauen der austrasischen Regierung gründlich enttäuscht zu haben, machte sich Wittiges mit seinen Männern auf den Rückweg nach Passau. Baian hatte ihm mit großer Geste zwei wunderschöne blaue Pferde als Abschiedsgeschenk zuführen lassen, die er noch in Sichtweite des Awarenlagers mit einem Klaps auf die Kruppe zurückschickte.
    Missbilligend schüttelte Venantius den Kopf. „Du beleidigst den Kaghan, weißt du das?“
    „was du nicht sagst“, knurrte

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