Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
erklärte er aufgebracht.
Es war nicht das erste Mal, dass Pontus das Gespräch auf den Heiligen zu lenken versuchte. Wäre Wittiges dem Schmied nicht begegnet, wäre er nicht auf das Thema eingegangen oder hätte überhaupt die Unterhaltung nicht fortgeführt. Neuerdings zog er es vor, möglichst oft allein zu sein, was auf einem Gut, zu dem so viele Menschen gehörten, nicht einfach war. Zweimal war er ohne Begleitung auf die Jagd geritten, hatte aber um den Wald, in dem der Heilige hauste, einen Bogen geschlagen. Eine Art Scheu hielt ihn davon ab, der Höhle und ihrem Bewohner einen Besuch abzustatten. Abgesehen davon, konnten für ihn als Arianer religiöse Angelegenheiten ohnehin leicht heikel werden.
„Wieso? Was hat der Heilige damit zu tun?“ Dann kam ihm ein Gedanke. „Drängt er Otho, seine Frau zu verstoßen?“ Otho war nur eine Friedelehe eingegangen, das hieß, die Ehe bestand lediglich als private Vereinbarung. Sie hatte keinerlei offizielle Gültigkeit, konnte also leicht gelöst werden.
„Er hat Otho weisgemacht, dass auf dieser Verbindung kein Segen ruht, weil sie Blutschande bedeutet. Otho und seine Frau sind verflucht und von Gott verlassen, das wissen inzwischen alle hier. Seine Tochter wurde in Sünde gezeugt und ist eine Strafe des Himmels, die jeder ...“
Falls Otho seine Frau verstieß, besiegelte er damit ihren Tod, denn niemand würde sie aufnehmen, nicht einmal die Angehörigen, die sie im Schmiededorf noch hatte.
„Hör auf, ich hab’s verstanden“, fiel ihm Wittiges ins Wort.
Pontus schüttelte grimmig den Kopf. „Nein, hast du nicht. Otho ist ein anderer Mensch geworden. Er schlägt die Frau, was er früher nie getan hat. Und er quält den Jungen. Irgendwie scheint er glauben, sein Unglück liegt vor allem an Ulf. Durch die Verbindung sind ja auch seltsame Verhältnisse entstanden, das musst du zugeben. Ein Halbbruder, mit dessen Mutter er verheiratet ist! Bisher hat niemand darüber nachgedacht, die Leute hier haben genug anderes zu tun. Aber jetzt, da ihnen jemand in einem fort die Hölle heiß macht ... Du musst etwas für Ulf tun, sonst geht er vor die Hunde.“ Pontus schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
Wenn er anders gestimmt gewesen oder zu seinem wichtigsten Vertrauten noch das gleiche, unbeschwerte Verhältnis wie früher bestanden hätte, hätte Wittiges zweifellos von seinem Besuch in der Schmiede und seiner Drohung Otho gegenüber erzählt und dann hätten sie sich gemeinsam über den Schmied und den Heiligen aufgeregt und überlegt, was zu tun sei, um die ganze verdammte Angelegenheit zu bereinigen. So regte sich nur Pontus auf.
„Vielleicht hättest du diese Heirat verhindern sollen“, sagte Wittiges langsam. „Wäre das nicht deine Pflicht als Hüter der Moral gewesen? Was kann ich schon tun? Ich hab keine Lust, mich mit diesem Heiligen anzulegen, auch wenn es mir nicht gefällt, dass er sich ohne Erlaubnis in meinem Wald eingenistet hat. Aber du hast ja zugelassen, dass er bleibt. Und nun, da er so viele Pilger anzieht, wird es schwer, ihn loszuwerden. Oder nicht?“
Pontus hatte mehrfach angesetzt, ihn zu unterbrechen, aber er ließ ihn nicht zu Wort kommen. Wittiges merkte, dass er dabei war, sich mit ihm zu streiten, und das wollte er vermeiden. Wie so häufig in den letzten Tagen gedachte er sich rasch davonzumachen, aber es kam nicht dazu.
In der Tür erschien ein Knecht und deutete ratlos hinter sich. „Da ist jemand mit zwei Pferden eingetroffen, Herr, er sagt, er kommt aus Metz. Pferde wie diese haben wir hier noch nie gesehen. Was sollen wir tun?“
Pontus und Wittiges standen gleichzeitig auf.
„Was für ein Mann?“, fragte Pontus.
Wittiges streifte ein ungute Ahnung. „Schon gut. Ich sehe nach, wer es ist. Du kannst hierbleiben“, sagte er mit belegter Stimme zu Pontus.
„Warte!“ Pontus wandte sich an den Knecht. „Geh du voraus, wir kommen nach.“
Pontus hielt Wittiges am Ärmel fest, und als sich dieser losreißen wollte, packte er ihn und zog ihn zwei Schritte zurück ins Zimmer. „So kommst du mir nicht davon!“, knurrte er. „Es reicht jetzt! Was ist los mit dir? Sag’s mir! Sag mir, was dich quält, und hör auf, mich mit halben Lügen abzuspeisen. Ich weiß, wann ich die Wahrheit höre. Was ist bei den Awaren geschehen? Da war doch was. Und was steckt wirklich hinter der Geschichte von Bautos Tod? Ich verstehe sie nämlich nicht.“
Pontus blinzelte, und überrascht bemerkte Wittiges, dass dessen
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