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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
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suchte er den großen Saal auf, wo sich bereits alle übrigen Bewohner des Hauses eingefunden hatten.
    Die Amme mit der kleinen Agnes im Arm, die trotz des Getöses schlief, hatte sich neben Aletha niedergelassen, und dort saß auch Viola, die sich gleichfalls umgezogen hatte, sittsam auf einem dicken Kissen am Boden. Nun trug sie ein schlichtes, hellbraunes Gewand mit halblangen Ärmeln, und ein Tuch bedeckte Hals und Brustansatz. Ihre Haare waren wieder wohlfrisiert, glänzten aber noch vor Nässe. Sie hielt ihren Blick züchtig gesenkt, sprach leise und gab sich ganz als wohlerzogene Haustochter. Nichts gemahnte mehr an die wilde Megäre, die sie noch vor so kurzer Zeit gewesen war, aber Wittiges schüttelte sich noch bei der Erinnerung. Von der alten Barchild, der verstorbenen Dorfhexe, musste recht viel in der Enkelin stecken.
    Zwei Kohlebecken brannten trotz der schwülwarmen Regenluft, die durch die breiten Türen zum Säulenhof hereindrang, denn die glimmenden Kohlen schufen eine gewisse Heimeligkeit in diesen trostlosen Stunden. Außerdem hielt eine Sklavin in einem großen Tongefäß kühlen Apfelwein bereit, den die meisten dankbar annahmen.
    Nur Aletha fröstelte.
    Nachdem die Wachen eingeteilt und auch sonst alles erledigt war, um Haus und Hof zu schützen, hatte Wittiges zusammen mit Pontus den Körper des toten Mannes in einem Vorraum der Bäder untersucht. Inzwischen wussten sie von dem Knecht, der den Verletzten unter dem Baum entdeckt hatte, dass er zusammen mit einem weiteren Diener Cniva und Alexander auf ihrer Pilgerreise begleitet hatte. Er stammte also von Theodos Hof. Leider hatte der Knecht, der den Mann gefunden hatte, weiter nichts in Erfahrung bringen können.
    „ Tours “, hatte der Sterbende gesagt. Hatten sich Cniva und Alexander demnach tatsächlich auf einer Pilgerreise befunden? Wie weit waren sie gekommen, und warum war dieser Knecht umgekehrt? Alle diese Fragen blieben unbeantwortet. Kaum verheilte Wunden an den Armen und an einer Schulter bewiesen, dass der Mann in Kämpfe verwickelt gewesen oder überfallen worden war. War er der einzige Überlebende der Pilgergruppe?
    Wittiges hatte Aletha nichts erzählt. Sie schien ihm viel zu schwach, um solche Nachrichten über ihren Bruder Alexander zu verkraften. Die beiden standen sich sehr nahe. Argwöhnisch beobachtete Wittiges Viola, um herauszufinden, ob diese vielleicht über etwas redete, das besser noch ungesagt blieb.
    Aletha schaute auf und lächelte ihren Mann über Violas Kopf hinweg beruhigend an, wie um ihm mitzuteilen, dass er sich um sie keine Sorgen zu machen brauche. Da fiel ihm ein, wie stark sie wirklich war, dagegen zählte die körperliche Schwäche wenig. Unverhofft wallten Zärtlichkeit und der dringende Wunsch in ihm auf, sie in den Armen zu halten.
    Gegen Morgen zog das Gewitter ab, und auch der Sturm legte sich. Draußen dämmerte ein strahlender Sonnentag herauf. Knechte und Mägde regten sich, streckten die verkrampften Glieder. Wittiges war kurz auf einem Stuhl eingenickt und schrak hoch, als er Schritte hörte. Es war das seltsam unregelmäßige Auftreten harter Sohlen auf dem Steinboden. Er kannte diesen Schritt.
    Übernächtigt blinzelte er dem Eintretenden entgegen, aber der junge Mann beachtete ihn nicht, sondern strebte mit seinem auffälligen Hinken direkt auf Viola zu, die, die Arme auf den Rand von Alethas Liege gebettet, eingeschlummert war. Aber nun hob sie den Kopf.
    „Chramm!“, stieß sie leise hervor. „Woher kommst du?“
    Vor vielen Jahren hatte Chramm zu den nutriti , den königlichen Zöglingen am Hof von Reims gehört. Er war der Bruder eines Erzfeinds von Wittiges, hatte aber die Feindschaft nicht geteilt, sondern gleich bei der ersten Begegnung eine große Zuneigung zu Wittiges gefasst, die dieser erwiderte. Er mochte das Kerlchen, das so großartig mit seinem angeborenen Gebrechen zurechtkam. Chramms rechtes Hüftgelenk war bei der Geburt verdreht worden, sodass er sich nur grotesk hinkend vorwärts bewegen konnte. Nach dem gewaltsamen Tod des Bruders hatte Wittiges den anhanglosen Jungen bei sich aufgenommen. Aber vor einem Jahr war Chramm zu Cniva auf Theodos Hof gezogen und von ihm in die Gutsverwaltung eingewiesen worden. Er war nun derjenige, der der Theodos Hof führte. Eine große Verantwortung für einen Siebzehnjährigen.
    Immer mehr vom Gesinde standen auf. Unbeirrt bahnte sich Chramm seinen Weg zu Viola, beugte sich zu ihr hinunter und legte ihr die Hand auf den Kopf.

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