Der Hüter des Schwertes
fröhliches Lächeln aufgenäht war. Karias alte Puppen waren längst verschwunden, aber sie beschloss, dass diese hier eine ganz besondere Freundin sein würde.
»Ihr Name ist Puppi«, teilte sie mit und streckte Menner nun ihren anderen Arm hin.
Er hatte alle Maße genommen und sah sich die Zahlen auf seiner Tafel an, während Karia sich ein Stück Kuchen schmecken ließ.
»Ich glaube, ich habe noch ein Probierkleid hier, das ich Euch jetzt schon geben könnte«, bot er an.
»Und was passiert dann mit dem, das ich anhabe?«, rief Karia und zupfte an ihrem Kleid.
»Wir könnten es einem Bettler geben, kleines Fräulein, doch ich glaube, selbst diese Leute haben gewisse Erwartungen«, sagte Menner ernst. »Das Einzige, was sich über dieses Kleid freuen würde, ist ein großes Feuer. Ich bin gleich zurück.«
»Er ist witzig«, sagte Karia, als Menner wieder im Hinterzimmer verschwunden war.
Martil lächelte. Es war interessant zu sehen, wie Menner Karia für sich gewonnen hatte. Bestechung, Ablenkung und eine Spur Witz.
Er kehrte mit einem hellrosa Kleid zurück. Es war schlicht geschnitten und hatte keine Verzierungen, aber es war offensichtlich sauber und daher aus Martils Sicht perfekt.
»Dort kannst du dich umziehen«, sagte er und zog an einem Vorhang, der von einer halbkreisförmigen Stange aus Holz hing, um an einer Wand einen kleinen, geschützten Raum zu bilden.
Karia war sich zwar wegen des Schneiders immer noch nicht sicher, aber sie liebte das Kleid. Sie zog sich ihr altes über den Kopf und streckte die Hand nach dem neuen Kleid aus.
»Beim Barte Aroarils! Kleines Fräulein, die Umkleidekabine …«
Menner starrte sie fassungslos an, aber sie nahm ihm das Kleid einfach aus der Hand.
»Sie ist auf dem Land aufgewachsen.« Martil versuchte, seine Verlegenheit abzutun. Er würde ihr wohl noch einmal erklären müssen, wie wichtig ein wenig Anstand war, dachte er und wandte sich rasch ab, um aus dem Fenster zu schauen.
»Wie sieht es aus? Bin ich hübsch?«, fragte Karia, während sie sich in ihr Kleid schlängelte.
Menner gewann seine Fassung zurück und eilte davon, um mit einem großen Spiegel wiederzukommen, in dem sie sich bewunderte.
»Es sieht reizend aus«, versicherte er ihr. »Nun müssen nur noch die Farben ausgesucht werden, und die Anzahlung muss hinterlegt werden …«
Als Martil mit Karia den Laden verließ, überlegte er, dass er für die Kleider vermutlich das Dreifache des üblichen Preises bezahlt hatte. Aber da er so Zeit gespart und außerdem wichtige Dinge gelernt hatte, war es in seinen Augen eine lohnende Ausgabe gewesen. Wenn er mit ihren Stimmungsschwankungen umgehen konnte, würde der Ritt nach Thest nicht mehr ganz so unangenehm werden. Er betrachtete seinen Schwur inzwischen fast als eine militärische Herausforderung. Schließlich hatte sich gezeigt, dass auch hier Ablenkungstaktik ihren Platz hatte.
Karia sagte nichts, weil ihr Mund voller edler Süßigkeiten war, die Menner ihr zum Abschied gegeben hatte. Martil hatte keine Ahnung, welche die richtigen Farben für Kinderkleidung waren, also hatte er Karia aussuchen lassen. Ihre Wahl verschiedener Rosa- und Violetttöne akzeptierte Martil klaglos.
Was Karia betraf, sie war viel zu beschäftigt damit, Puppi zu bestaunen und ihr neues Kleid zu bewundern, um dem Tumult um sie herum noch viel Beachtung zu schenken. Menner hatte ihnen einen Gasthof empfohlen, die Herberge »Spatz und Krone«; sie war nicht weit entfernt. Weil Martil sich nicht in der Stadt auskannte, ritten sie dorthin. In diesem Fall stellte sich die zufällige Wahl als ganz annehmbar heraus; er war sich zwar nicht sicher, was er erwartet hatte, aber das Gasthaus war ein dreistöckiges Gebäude, das die umstehenden Bauten deutlich überragte. Er ritt um das Haus herum und fand dahinter einen großen Stall und einen Hinterhof, der bis zur nächsten Straße reichte. Nicht nur Pferde standen dort, sondern auch Kutschen und Karren, und eine Handvoll Burschen kümmerte sich dort um alles.
Martil lenkte Tomon zum Haupttor und musste ihn zügeln, als zwei große Kerle in Lederwämsern vortraten. Jeder von ihnen hielt einen Knüppel mit Bleiende in Händen.
»Was ist euer Begehr?«, fragte einer der beiden gelangweilt.
»Ein Zimmer für mich und das Mädchen, ein Platz im Stall und Futter für das Pferd«, antwortete Martil barsch.
»Halt, die Stimme kenne ich doch!«, rief derjenige von den beiden, der bisher geschwiegen hatte. »Hauptmann Martil,
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