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Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Titel: Der Hund des Propheten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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vorbei.
    »Sie haben mit Ihrem Auftritt rein gar nichts erreicht«, sagt Wildenrath. »Im Gegenteil. Sie haben die Leute nur darauf aufmerksam gemacht, dass da allerhand Nachrede im Umlauf ist. Das war ein Fehler. Krottenfalsch war das.«
    »Ich versteh Sie nicht«, meint Rübsam. Nach dem Ende der Ausschusssitzung hatte ihn der Prälat gebeten, ihn ein paar Schritte zu begleiten. »Was hier abläuft, ist Rufmord. Sie dürfen dem nicht zusehen. Gerade Sie nicht. Sie haben die Hartlaubs durchgesetzt.«
    Der Prälat hebt abwehrend beide Hände.
    »Tun Sie nicht so«, fährt Rübsam fort. »Es war Ihr Trick, den Vater Hartlaub ins Spiel zu bringen und damit eine Art Martin-Walser-Syndrom auszulösen. Sie haben den Besen gerufen, jetzt gebieten Sie ihm auch Einhalt.«
    »Wenn es so wäre, dann sollten Sie eigentlich wissen, dass das nicht so einfach ist.« Der Prälat wendet sich dem Durchgang zu, der zwischen Stadthaus und einem Bankgebäude zur Neuen Straße führt. »Wir haben es hier nicht mit Zauberei zu tun, sondern mit ein bisschen Klatsch, kleinstädtisch und also eine Spur bösartiger als sonst. Aber eben Klatsch. Die Leute brauchen von Zeit zu Zeit jemanden, über den sie sich das Maul verreißen können. Besonders gerne über jemanden, der nicht von hier ist.« Er senkt die Stimme. »Das Einzige, was man da tun kann, ist zuwarten. Irgendwann gibt sich das von selbst. Davon abgesehen…«
    Der Prälat spricht nicht weiter.
    »Da ist doch noch etwas«, sagt Rübsam. »Irgendetwas, an das Sie nicht heranwollen.«
    »Ja«, sagt Wildenrath bedächtig, »ich will an diese Geschichte nicht heran. Aber aus dem Grunde, den ich Ihnen schon sagte. Je schärfer Sie den Leuten das Maul verbieten, umso heimtückischer werden die Gerüchte … Ich will Ihnen etwas erzählen. Vor ein paar Tagen war ich in Jena, habe dort einen alten Bekannten besucht, jemanden, den ich in den Fünfzigerjahren kennen gelernt habe, vor dem Bau der Berliner Mauer waren solche Kontakte noch möglich. Mein alter Bekannter hat die Hochschullaufbahn eingeschlagen, war Professor für Praktische Theologie, inzwischen ist er emeritiert. Es war ein bewegendes Gespräch, irgendwann kamen wir darauf, dass sich nicht wenige Kirchenleute in das Spitzelsystem der Stasi verstrickt haben oder verstrickt wurden. Seid im Westen nicht zu selbstgerecht, hat mich pötzlich mein alter Bekannter zurechtgewiesen und mir gestanden, dass auch er…«
    Wildenrath lässt den Satz unvollendet.
    Na schön, denkt Rübsam. Der Jenenser Prof wird seinen Freund Wildenrath bespitzelt haben. Wozu um Gottes willen soll das gut gewesen sein?
    »Also auch mein alter Freund hat kollaboriert«, fährt Wildenrath fort, »hat in seinen Seminaren Arbeiten schreiben lassen, sie dann ein wenig poliert und dann an die Stasi weitergegeben, Arbeiten über Prüfungsthemen, verstehen Sie?«
    »Und die Stasi hat dann nachgesehen, ob die Studenten verdächtiges Gedankengut zu Papier bringen?«
    »Sie verstehen gar nichts«, sagt Wildenrath. »In dem Jenenser Seminar wurden die Prüfungsarbeiten gefertigt, drei oder vier oder vielleicht auch mehr, mit denen junge viel versprechende Informelle Mitarbeiter ihre Examina hier in der Bundesrepublik bestanden haben. Wissen Sie, wenn man so ein gesinnungstüchtiges Prachtexemplar an Land gezogen hatte, das sein Christsein im Dienst am Sozialismus leben wollte, vielleicht aus den Reihen der Friedensbewegung – nichts für ungut, Sie waren ja auch bei der Menschenkette dabei –, also wenn man so etwas am Wickel hatte, dann musste man doch auch dafür sorgen, dass der nicht durchs Examen fiel.«
    »Und was, bitte, versprach sich die Stasi davon, ausgerechnet Pfarrer anzuwerben?«
    »Ach, Rübsam!«, antwortet der Prälat. »Haben Sie nicht oft genug Kinder zur Konfirmation begleitet? Und haben die lieben Kleinen nicht mehr von zu Hause erzählt, als Sie hören wollten? Stellen Sie sich doch das Potenzial vor, das hier verborgen ist, schließlich wird ja auch in Ulm jede Menge militärischer Forschung betrieben…«
    Rübsam lässt in seinen Gedanken den letzten Konfirmandenjahrgang an sich vorbeiziehen. »Wenn die Stasi ihr Wissen wirklich von unseren Konfirmanden bezogen hat«, sagt er bedächtig, »wundert mich allerdings nicht mehr, was aus der DDR geworden ist.«
    »Sie müssen das nicht lächerlich machen«, erwidert Wildenrath unwillig. »Für die Stasi war das doch schon ein wichtiger Ansatzpunkt, wenn sie wusste, wie es bei Diplom-Ingenieurs zu

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