Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
Interesse, das Sie an dieser Marielouise Hartlaub haben?«
Berndorf schweigt.
»Oder wenn Ihnen eine andere Frage lieber ist«, hakt Tamar nach: »Welches Interesse hatte Eugen Hollerbach an dieser Frau? Kuttler hat mir gesagt, dass Hollerbach in Stuttgart war und ihren Mann besucht hat. Das war nachmittags, gegen 15 Uhr. Angeblich ist er nur kurz geblieben. Aber als es dunkel wurde, stand Hollerbachs Wagen noch immer dort.«
»Er wird auf sie gewartet haben. Schließlich hat er einen Artikel über sie geschrieben.«
»Das hat er«, sagt Tamar. »Einen Artikel über diese Frau und über Posaunenchöre. Er hat sie in diesem Artikel niedergemacht, aber es gibt kein Zitat und keine Stellungnahme von ihr. Sie kommt nicht zu Wort. Das ist das, was Kuttler nicht versteht. Und deswegen glaubt er, dass Hollerbach dieser Frau aus einem ganz anderen Grund aufgelauert hat.«
»Das ist doch der ganz normale Journalismus«, sagt Berndorf. »Die Leute nicht anhören, aber sie niedermachen. Nur nichts totrecherchieren, hat mir Frentzel einmal gesagt.«
»Es gibt noch etwas, das Kuttler nicht glaubt«, fährt Tamar fort. »Er glaubt nicht, dass Hollerbach in den Wasserlöchern nach Nazi-Gold gesucht hat. Die Zeitungsleute haben das behauptet. Aber er glaubt es einfach nicht. Er glaubt, dass Hollerbach nach Autenrieths Leiche gesucht hat.«
Wieder schweigt Berndorf.
»Wollen Sie mir nicht endlich sagen, was Marielouise Hartlaub mit diesem Constantin Autenrieth zu tun gehabt hat?« Berndorf schüttelt unwillig den Kopf. »Befragen Sie diese Zeugin, die ich zu Ihnen geschickt habe. Stellen Sie sie Kadritzke gegenüber. Befragen Sie ihn, was er von Marielouise Hartlaub wollte. Erwirken Sie einen Haftbefehl gegen ihn. Wenn Sie das schaffen …« Er unterbricht sich. »Aber ich glaube nicht, dass Sie es schaffen. Steinbronner wird es abblocken. Und deshalb …« Er breitet seine Hände aus, so, als ob er jetzt leider auch nichts mehr tun könne.
»Sie beginnen, mir sehr fremd zu werden«, sagt Tamar leise. Berndorf löst den Gurt und öffnet die Tür. »Trotzdem würde ich mich freuen«, antwortet er, »wenn Sie bei Gelegenheit noch einmal einen Tee mit mir trinken.« Er steigt aus. »Irgendwann. Bevor ich nach Berlin gehe.«
Tamar legt den Gang ein und wendet. Berndorf ist stehen geblieben und sieht ihr nach. Als die Rücklichter um die Kurve verschwunden sind, schiebt er einen der Abfallcontainer auf und wirft ein Taschenbuch hinein.
Donnerstag, 15. November 2001
»Also rein von der Mentalität her«, sagt der Mann mit den lockigen Haaren, »ist der Schwarze als solcher nicht für die Panzerwaffe geeignet…« Er beugt sich zum Zweirad-Schnäutz. »Der Schwarze sieht einen Panzer und denkt, wo der drübergeht, wächst kein Gras mehr, da häng ich mich dran und bin auf der sicheren Seite … Aber Pustekuchen! Der Panzer als solcher ist hoch verwundbar, ich werd’s Ihnen zeigen … Sie erlauben.« Er greift zu Schnäutzens Zigarettenschachtel. »Stellen wir uns einmal vor, das wäre einer dieser russischen Tanks.« Er beginnt, die Zigarettenschachtel langsam über die Theke von Tonios Café zu schieben, vorbei an einem Zuckerstreuer, einen Aschenbecher zur Seite drückend, weiter und durchaus bedrohlich auf den Zweirad-Schnäutz zu.
Beunruhigt bricht der Dackel, den Schnäutz auf dem Arm hält, in wütende Kläffe aus.
»Ruhig, Purzel«, sagt Schnäutz und setzt ihn ab. »Wir haben grad Häuserkampf in Kabul.«
»Also ja. Danke«, sagt der Lockige, der bei Tonio als der Kuhberg-Rommel bekannt ist. »Was ich hab sagen wollen, der da wär jetzt schon verloren und verratzt.« Er deutet auf die zwischen Aschenbecher und Zuckerstreuer eingeklemmte Zigarettenschachtel. »Wenn der jetzt von zwei Seiten Zunder kriegt, hilft ihm keiner mehr raus, ein stählerner Sarg ist das dann. Zum Beispiel in Budapest 1956 haben die Ungarn den Russen T-Träger in die Panzerketten geschoben, das hat die Ketten zerrissen wie nichts…«
»Wenn ich das noch recht weiß«, wirft Frentzel ein und winkt der Bedienung Maria mit seinem leeren Weinglas, »haben damals aber leider nicht die Ungarn gewonnen.«
»Aber schwer getan haben sich die Russen«, sagt der Kuhberg-Rommel, »sehr schwer haben sie sich getan, glauben Sie mir das! Und was war in Afghanistan, bitte sehr? Wenn mit dem Panzer nicht die Infanterie vorrückt und ausschwärmt, dann geht das ganz schnell nach hinten los, die Amerikaner werden es schon noch merken…« Er hält inne,
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