Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
behilflich gewesen. Gestern Nacht dachte ich noch, jetzt ist mit Ihren Extratouren Schluss. Ich habe ernsthaft angenommen, Sie hätten begriffen, dass diese Arbeit nur von den Leuten zu Ende gebracht werden kann, die dafür auch einen Auftrag haben… Ja, und dann ist kein Tag um und Sie stehen da oben wie das Gespenst von Canterville, das sich beim Anmalen in den Wasserfarben geirrt hat.«
Berndorf sagt nichts.
Sie kommen an die Eisenbahnbrücke, deren von neogotischem Eisenzierrat gekrönte Bögen nur Platz für zwei sehr enge Fahrbahnen lassen. Vor ihnen muss ein Bus einen zweiten, der entgegenkommt, passieren lassen.
»Wobei störe ich Sie eigentlich?«, fragt Berndorf in die Stille. »Wie ich den Kollegen Steinbronner kenne, hat er den Fall doch längst aufgeräumt und die Fakten in die Schubladen gesteckt, in die sie gehören oder auch nicht.«
»Könnten wir ausnahmsweise mal vernünftig reden?« Der Bus fädelt sich in die Brücke ein. Tamar folgt, nach der Brücke überholt sie und biegt an der Kreuzung unten in die Karlstraße ein und beschleunigt, dass das Heck auf der Fahrbahn wegrutscht. Sie steuert gegen und fängt den Wagen ab.
»Ja«, sagt Berndorf, »wenn Sie uns vorher nicht totfahren.« »Sie haben während der letzten Tage doch nach Constantin Autenrieth gesucht?«, fragt Tamar. »Heute Nachmittag haben wir ihn gefunden.«
Ja so, denkt Berndorf.
»In einem dieser alten Bombenlöcher, keine 300 Meter von der Jagdhütte entfernt.«
»Wie sicher ist die Identifizierung?«
»Ziemlich sicher«, meint Tamar. »Der Tote muss auf der Stirn einen solch martialischen Schmiss gehabt haben wie der frühere Oberstaatsanwalt von Grövenitz, und das stimmt mit der Narbe überein, die man auf dem Passfoto sieht. Morgen liegen die Röntgenaufnahmen von Autenrieths Zahnarzt vor, dann werden wir es genau wissen. Außerdem haben wir bei der Leiche ein Zigarettenetui gefunden, das diesem Autenrieth gehört hat. Die Tochter hat es erkannt.«
»Eine Narbe, ein Etui…, für eine Identifizierung müsste da aber noch ein bisschen Fleisch an die Knochen.«
»An den Knochen ist keins mehr«, sagt Tamar. »Und das Etui ist als Indiz ziemlich gut. Es ist eine Spezialanfertigung, und die Tochter hat ein Duplikat.« Sie verlässt die Karlstraße und fährt durch die Eisenbahnunterführung zu dem Appartementhaus, in dem Berndorfs Wohnung liegt. Der Wagen rollt aus, sie lässt den Motor laufen. Die Scheinwerfer beleuchten Abfallcontainer, die am Straßenrand für die Müllabfuhr bereitgestellt sind.
»Wie ist er ums Leben gekommen?«
»Wir glauben, er ist erschossen worden. Kovacz hat die Kugel gefunden. Sie gehört zu einer Jagdwaffe. Morgen werden wir wissen, ob es das Gewehr war, das Sie uns freundlicherweise haben zukommen lassen. Es hat übrigens auch Autenrieth gehört, sagt die Tochter.«
Auf einmal ist es viel, was die Tochter weiß und sagt, denkt Berndorf. »Kommen Sie auf eine Tasse Tee mit?«
»Nein«, antwortet Tamar.
Schweigend bleiben sie nebeneinander sitzen.
»Ich weiß nicht, warum ich überhaupt mit Ihnen rede«, sagt Tamar schließlich. »Und auch noch über Interna. Aber es ist zu blöd. Erst hat Steinbronner diesen Landmaschinenhändler Neuböckh in Watte gepackt, als der Kerl wegen dieses Waffengeschäftes schon längst in Stammheim hätte sitzen sollen. Und jetzt, kaum dass wir den toten Autenrieth gefunden haben, die Kehrtwende… Er hat Neuböckh noch heute Abend in den Neuen Bau bringen lassen und verhört ihn seither. Aber das ergibt überhaupt keinen Sinn.«
Warum ergibt das keinen Sinn? Dafür kann es nur einen einzigen Grund geben. »Sie haben also das Geld gefunden«, fragt er gleichgültig in die Dunkelheit vor ihnen.
»Woher wissen Sie? Ach egal… Es war in einem Aktenkoffer, einem stabilen Ding. Es ist zwar etwas Wasser eingedrungen, aber man kann die Scheine noch zählen. Und man wird sie sogar noch umtauschen können.«
»Den Wendehälsen fehlen 3,8 Millionen, behaupten sie. Angeblich hat Autenrieth es ihnen gestohlen.«
Tamar beugt sich etwas nach vorne, um ihm ins Gesicht zu sehen. »Sie meinen Meunier und Konsorten? An die will Steinbronner nicht heran. Ohnedies ist das keine Geschichte, die nur mit Geld zu tun hat, sonst hätten wir es nicht gefunden. Wieso eigentlich 3,8 Millionen? In dem Koffer sind höchstens etwa 50 000 Mark gewesen, nicht mehr … Das passt alles nicht zusammen. Ich muss Sie deshalb noch einmal in allem Ernst fragen, was ist das für ein
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