Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
nur und ziehen eine der Nummern ab, die Sie bei der Stasi gelernt haben. Nur beklagen Sie sich dann nicht bei mir, wenn Sie von Ihrem Geld keinen Rappen und keinen Pfennig mehr zu sehen bekommen.« Er hebt die Hand und nickt der Bedienung. »Ich hätte gerne dieses Vegetarische Tagesgericht…«
»Ich darf Ihnen gestehen, dass wir über Ihren Besuch sehr froh sind«, sagt der nicht mehr ganz junge Mann und blickt Barbara durch seine hellrot gerandete Brille mit einem Blick an, der artige Freude, ja fast ein zierliches Wohlwollen zum Ausdruck bringt. Er trägt einen dezent dunkelblauen Anzug, das Haar ist kurz geschnitten. Barbara und er sitzen sich an einem großen, polierten Tisch aus gebeiztem Nussbaum gegenüber, der so wenig zu der Kassettendecke – Renaissance?
– über ihr passt, dass es schon wieder Stil hat.
»Sie wissen sicherlich, dass wir Anweisung hatten, das Portfolio konservativ zu verwalten«, fährt der Mann fort, »etwas anderes wäre in unserem Haus auch gar nicht denkbar gewesen. Allerdings war die Entwicklung der Börse in den letzten Jahren dann doch so, dass wir ganz gerne Rücksprache genommen hätten. Aber wir waren ja angewiesen, von uns aus keinen Kontakt aufzunehmen.«
Barbara nickt höflich. »Ich hoffe, Sie haben dann doch die notwendigen Dispositionen treffen können.« Das wäre doch zu lustig, denkt sie, wenn diese dezenten Gnome den ganzen Zaster in den Teich spekuliert hätten.
»Gewiss doch«, kommt es über den Tisch, »wir haben einige Umschichtungen vorgenommen und teilweise respektable Kursgewinne realisieren können, alles betont defensiv … Wären Sie früher gekommen, hätten wir Ihnen womöglich zu einigen Engagements geraten, von denen ich jetzt doch sehr froh bin, dass wir sie nicht eingegangen sind. An der Börse haben wir in den letzten Monaten so manches Grounding erlebt, glauben Sie mir!«
Habt ihr das nun verzockt oder nicht?
Er schiebt einige Computerausdrucke über den Tisch, der oberste zeigt eine Zackenlinie, die zuerst in Intervallen, aber insgesamt doch kontinuierlich ansteigt, um dann plötzlich mit einem scharfen Knick einzubrechen. »Sie sehen, das Portfolio ist von den Verlusten nicht verschont geblieben, auch die blue chips haben bluten müssen, bei einigen bin ich fast zweifelhaft, ob ich sie noch blue nennen soll …«
Wie viel, verdammt, ist denn noch da, geht es Barbara durch den Kopf. Zugleich wundert sie sich über sich selbst. Das ist doch, verdammt noch mal, nicht dein Geld.
»Sie sehen es hier«, höflich deutet ein manikürter Zeigefinger auf die Zahlenkolonne oberhalb der Zackenlinie.
»Was sind das? Schweizer Franken? Deutschmark?«
»Es sind Dollar«, kommt die Antwort. »Das Depot sollte in Dollar geführt werden, so war doch die Vereinbarung…«
Barbara rechnet den Betrag um. Ja, denkt sie dann. Warum nicht? Das ist nicht nichts.
»Und hier können Sie die Segmente der Anlageformen ablesen. Der Anteil von fast 50 Prozent Aktien ist übrigens recht hoch, falls Sie hier etwas modifizieren wollen. Außerdem haben wir einige Werte, bei denen aktuell Kapitalerhöhungen anstehen, wir sollten entscheiden, ob wir hier einsteigen…« »Nicht so schnell«, sagt Barbara. »Ich bin zunächst nicht davon ausgegangen, dass ich über das Depot verfügen kann. Ich wollte ursprünglich nur Einsicht nehmen…«
»Das liegt bei Ihnen«, kommt die Antwort. »Sie haben uns das Passwort genannt, damit können Sie Einsicht nehmen, aber Sie können auch darüber verfügen. So ist es bei der Einrichtung des Depots angeordnet worden.« Aus rot geränderter Fassung tastet ein fragender Blick über den Tisch. »Selbstverständlich können Sie mit den Personen, die Sie zu befragen wünschen, Rücksprache nehmen. Aber da Sie über das Passwort verfügen, sind Sie für uns der nun einmal gegebene und einzig berechtigte Ansprechpartner.«
So ist das also, denkt Barbara und blickt noch einmal auf das Blatt mit den Zahlenkolonnen und den Diagrammen. Was für ein Gesicht macht man zu solchen Summen? Ein kühles. Eines, das ungerührt höflich ist. Das allenfalls zum Ausdruck bringt, bei etwas professionelleren Engagements hätte das auch etwas mehr sein dürfen. Wenn ich mir das bar auszahlen lasse – wie viel Koffer brauche ich dazu?
Lächerlicher Gedanke. So schnell geht das nicht.
Muss ich diese Cosima Autenrieth davon in Kenntnis setzen? Sie hat mir eine Vollmacht gegeben, das ist richtig. Doch auf diese Vollmacht kommt es offenbar
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