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Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Titel: Der Hund des Propheten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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überhaupt nicht an. Dennoch ist es ein Depot, das Cosimas Vater angelegt hat. Also ist es … Falsch. Es ist nicht ihr Geld. Es war auch nicht das ihres Vaters. Es ist gestohlenes Geld. Punkt.
    Trotzdem könnte ich diese Cosima anrufen. Später.
    Sie blättert die Bankauszüge durch und stößt auf die Abrechnung der Bankgebühren. »Ich sehe gerade, es gibt ein Schließfach zu diesem Depot? Allerdings sind mir keine Schlüssel übergeben worden…«
    »Das hat nichts zu bedeuten. Es besteht Anweisung, den Inhalt des Schließfachs dem Zugangsberechtigten auszuhändigen.« Ob die Dame gleich Einblick nehmen wolle?
    Barbara will, und so wird sie in ein marmorschimmerndes und stahlglänzendes Kellergeschoss geleitet, wo sie eine Unterschrift leisten muss und sich wenig später in einer fensterlosen Kabine wiederfindet, allein mit einer Kassette, in der eine dick angeschwollene Klarsichtmappe liegt und ein Briefumschlag mit der Aufschrift:
    Für Cosima
    Barbara lehnt sich zurück und überlegt. Es gibt Dinge, die man nicht tut. Zum Beispiel öffnet man keine Briefe, die nicht für einen bestimmt sind. Schon gar nicht Briefe eines verstorbenen Vaters an sein einziges Kind.
    Also wirklich.
    Hast du gerade von Kindern gesprochen?
    Die Fotografien, vorhin, zeigten auch Kinder. Kinder, die überlebt hatten. DM 11 hießen die Dinger. Oder DM 31. DM wie Deutsche Mark oder Deutsche Mine. Heute werden sie nicht mehr produziert. Angeblich nicht. Die Bundesrepublik ist ein Vorreiter im Kampf gegen die Anti-Personen-Mine. Hat einer ihrer Außenminister gesagt. Was von der Bundesrepublik an solchem Gerät exportiert wird, das heißt jetzt Submunition. Anti-Panzer-Minen. Wenn ein Kind drauftritt, hat es Pech gehabt. Es hätte sollen ein Panzer sein.
    Dann wollen wir mal nicht so zartfühlend sein. Entschlossen reißt sie den Umschlag auf. Es ist ein handschriftlicher Brief, die Schrift ist zierlich und gut zu lesen.
     
    Liebe Cosima,
    … kommt einmal ein schwäbisch Landeskind an unsere Gestade, so ruf er mich beim Namen, dort, wo der Strom am breitesten hineingeht in das Meer, dann will ich kommen und dem Fremdling zu Rat und Hilfe sein…
    So, ungefähr, heißt es bei Mörike, den Du freilich, wie ich fürchte, nicht sonderlich spannend gefunden hast. Dennoch bist Du selbst es gewesen, die mich auf unser Lösungswort gebracht hat – erinnerst Du Dich? Es war auf unserer Wanderung am Südrand der Alb, wir kamen an den Blautopf, Du wolltest Dich nicht fotografieren lassen, höchstens als Hofnarr der Lau. »Bei so vielen Touristen wär ich auch genervt«, sagtest Du und hast ein Gesicht gemacht wie es die Lau am liebsten tun würde, wenn Steinbilder so etwas könnten. »An der Fontana Trevi werfen die Leute wenigstens Münzen hinein«, sagtest Du noch.
    Ich habe dir geantwortet, dass im Mittelalter nicht nur Münzen, sondern sogar vergoldete Becher in den Blautopf geworfen worden seien, um die Wassergeister zu besänftigen. Es war dieser Augenblick, in dem ich das Wort gefunden hatte, mit dem ich verschlüsseln konnte, was Du – und nur Du! – herausfinden solltest. Wenn es denn notwendig werden sollte.
    Nebenbei: Auch in diesen Blautopf hier sind einige vergoldete Becher geworfen worden, Du wirst nicht enttäuscht sein.
    Wie auch immer – es ist nun wohl doch so gekommen, dass Du dieses Rätsel lösen musstest, dieses letzte, das ich Dir aufgegeben habe. Und weil Du es gelöst hast, weißt Du auch, dass dies ein Brief ist aus jenem Land, aus dem keiner wiederkehrt. Aber keine Träne, ich bitte Dich! Eine Zigarette freilich könntest Du Dir jetzt anzünden, wenn Du magst.
    Nein: zünde zwei an. Und die zweite legst Du in den Aschenbecher.
     
    Für einen Augenblick lässt Barbara den Brief sinken. Produktionsanlagen für irakisches Giftgas. In 30 Jahren sieben Millionen G3-Gewehre, mindestens. Eine Viertelmillion Kalaschnikows für die Türkei und eine Munitionsfabrik dazu, damit der Nachschub nicht ausgeht im Krieg gegen die Kurden. 200 Panzer für Griechenland. Panzerschlepper für die algerische Armee, an nichts soll es ihr fehlen, während sie den Massakern in den Dörfern zusieht. Zünd mir eine Zigarette an. Sie zwingt sich, weiterzulesen.
     
    Bin ich jetzt zu sentimental? Mein melancholischer Beginn wundert mich übrigens selbst, denn während ich dies schreibe, fühle ich mich voller Vorfreude. Heute Morgen war der Grottenschleich bei mir, das Gesicht wie immer glatt und unbewegt. Ob das Prüfungsverfahren für den

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