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Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Titel: Der Hund des Propheten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Bahrein-Antrag abgeschlossen sei? Ebenso unbewegt antwortete ich ihm, dass dieser Antrag nicht genehmigungsfähig sei, weshalb eine weitere Prüfung sich erübrige.
    Er nickte und glitt wieder aus meinem Büro. Ich sah ihm nach, und es schien mir, als wedelten ihm seine Rockschöße hinterher wie die Flossen eines Schleierschwanzes. Dieser Regierungsapparat ist oder war – aber das weißt Du sicher – nach den Gesetzen eines Aquariums organisiert: Alles muss in den geregelten vorgegebenen Bahnen verlaufen, lautlos, und damit das so ist, hat ER für jeden seiner Schleierschwänze eine sorgsam bemessene Futterration bereit, je nach Flossengröße und Beflissenheit.
    Vor Jahren habe ich beschlossen, dass diese Gesetze für mich nicht länger gelten sollen. Das kurze Gespräch mit dem Grottenschleich hat nur einen Zug ins Rollen gebracht, der schon lange auf den Gleisen stand. Aber jetzt muss ich aufspringen. Noch heute Abend werde ich ihn anrufen und ihm erklären, dass ich nicht mehr an meinem Arbeitsplatz erscheinen, sondern ins Ausland gehen werde. Ich bin sicher, dass er sofort begreifen wird. Ich werde nicht einmal das Wort »Dossier« in den Mund nehmen müssen.
     
    Barbara nickt. Sie glaubt zu wissen, wer der Grottenschleich war. Autenrieth hat Recht, denkt sie. Kein überflüssiges Wort wird gefallen sein.
     
    Danach bleibt mir in Deutschland nicht mehr viel zu tun. In wenigen Tagen werde ich den Staub von meinen Füßen schütteln. Und dann? Ich neige nicht zu Illusionen. Immer und überall ist die Welt dem Menschen ein unheimlicher Ort. Wer auf freier Wildbahn leben will, muss wissen, dass es keine Sicherheit gibt, nirgends. Und da Du dies liest, weißt Du ein paar Dinge mehr als ich.
    Du weißt, dass ich zu Tode gekommen bin, bevor ich meine finanziellen Angelegenheiten auf eine andere, weniger verrätselte Weise habe ordnen können.
    Weil das so ist, weißt Du auch, dass meine Pläne von einem neuen freien Leben fehlgeschlagen sind. Fehlgeschlagen ist auch mein Versuch, mich durch dieses Depot und die darin niedergelegten Dokumente und Belege zu schützen.
    Trotzdem. Wenn Du diese Papiere durchsiehst, wirst Du den Mechanismus erkennen, in den ich eingebunden war. Du wirst wissen, wer die Hauptgewinne aus dieser Maschinerie der Geldbeschaffung gezogen hat, und wer dafür verantwortlich war. Ich selbst habe erst sehr spät damit begonnen, mich und meine Familie zu sichern, und höchstens für diesen späten Zeitpunkt habe ich mich zu entschuldigen. Die Anteile, die ich für uns sichergestellt habe, waren maßvoll, und sie sind meiner eigenen, weithin unbeachtet gebliebenen Arbeit durchaus angemessen.
    Zuletzt allerdings ist meine Lage unhaltbar geworden, auch wegen der Intrigen, die der DDR-Agent und Waffenhändler Meunier gegen mich gesponnen hat.
    Dennoch ist Meuniers Rechnung nicht aufgegangen. Es ist gut möglich, dass ich dafür einen sehr hohen Preis bezahlen muss. Wenn es so gekommen sein sollte, dann weißt Du jetzt, wer der Mörder ist. Oder sein Auftraggeber, denn Meunier wird sich nicht selbst die Hände schmutzig machen. Einer seiner Handlanger heißt Kadritzke. Hüte dich vor ihm, aber mehr noch vor Meunier.
    Ich überlasse es Dir, welche Verwendung Du für diesen Brief und die anderen Dokumente findest. Aber tue nichts, was die angesammelten Vermögenswerte gefährdet.
    In Liebe
    Dein Vater Constantin Autenrieth
    Zürich, im September 1991
     
    Barbara hört auf zu lesen. Sie massiert sich den Nacken. Schließlich nimmt sie den Hörer des Haustelefons und lässt sich mit dem nicht mehr ganz jungen Mann verbinden. »Wie viel kann ich abheben? Ich meine heute, jetzt gleich…«
     
     
    Tonios Café ist noch leer, bis auf einen einzelnen unrasierten Gast, zu dessen Füßen ein schwarzer Labrador sitzt. Was haben alle diese Männer nur mit ihren Hunden? Vermutlich ziehen sie sie ihren Frauen vor, denkt Tamar, weil sie mit den Hunden nicht reden müssen. Der Unrasierte grüßt, als ob er mit ihr bekannt sei. Ihr wäre es lieber gewesen, er hätte sich nicht die »alternative zeitung« genommen, so muss sie das »Tagblatt« lesen und den Artikel, den Frentzel dort über den Fall Lauternbürg geschrieben hat, »eine bemerkenswerte journalistische Leistung«, hatte Steinbronner vorhin in der Morgenkonferenz geraunt.
    Sie schlägt die dritte Lokalseite auf und fast gleich wieder zu, denn aus der äußersten Spalte springt sie das Kinn des Kriminaldirektors Steinbronner an, triumphierend,

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