Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
gegangen, um private Aktfotos machen zu lassen«, fasst Tamar zusammen.
»Ja«, sagt Waltraud Ringspiel, »das ist der Ausdruck. Private Aktfotos. Er hat sein Atelier in der Waschküche gehabt.«
»Sehr erotisch«, sagt Tamar. Dann legt sie den Negativ-Streifen wieder zurück. »Ist es vorgekommen, dass dieser Hollerbach aufdringlich geworden ist?«
»Man ist ja nicht dabei«, antwortet die Ortsbäuerin, »aber ich glaub’s nicht. Das war ja so ein schwabbeliges Mannsbild, und hat aus dem Mund gerochen, so einen mag keine… Die hätten ihm eins auf die Finger gegeben, wissen Sie, so hilflos sind die jungen Dinger nun auch wieder nicht.«
Tamar überlegt. »Und er hat auch nie Fotos weitergegeben?« Die Ortsbäuerin weiß nicht, was Tamar meint.
»Sehen Sie«, sagt Tamar, »Sie zum Beispiel haben über das Foto-Atelier in der Waschküche Bescheid gewusst. Andere Leute vielleicht auch. Darunter vielleicht Männer, die gerne ein solches Foto gehabt hätten. Die Sorte Männer, die sich damit einen Spaß machen wollen, wie sie es dann nennen.«
Aber davon hat die Ortsbäuerin nie gehört.
»Ich glaub auch nicht, dass es so etwas gegeben hat. Das hätt’ sich rumgesprochen, und dann wär ja keins mehr gekommen.«
Da ist was dran, denkt Tamar. Ohne Diskretion kein Studio in der Waschküche. Und doch! Leidenschaft respektiert keine Diskretion. »Diese Negative bleiben selbstverständlich unter Verschluss«, sagt sie dann. »Ich sorge selbst dafür, dass da nichts rausgeht. Nichts ans »Tagblatt«, und auch nichts an die Zeitung mit den roten Balken.«
Noch immer huschen die dunklen Augen hin und her, streifen die Kommissarin und irren wieder weg.
»Aber es gibt ein paar Probleme«, fährt Tamar fort. »Erstens weiß ich nicht, ob die Feuerwehrleute etwas aufgesammelt und eingesteckt haben. Da müssten Sie mit dem Kommandanten reden, dass der sich hinter seine Männer klemmt.«
Waltraud Ringspiel nickt. Das habe sie heute Morgen schon getan. »Ich hab dem Neuböckh gesagt, dass er und seine Mannen keinen einzigen guten Tag mehr haben, wenn da etwas rausgeht.«
»Noch etwas.«
Die dunklen Augen heften sich an ihr fest.
»Wir gehen bisher davon aus«, hebt Tamar an und geniert sich. Der Kaffee geht aus, und das Geld, und Hannah und ich, am Abend, hoffentlich. Alles andere ist Schnüss. »Also wir glauben, dass der Herr Hollerbach seinen Elektroofen eingeschaltet hat und dann eingeschlafen ist und nicht mehr gemerkt hat, wie der Ofen irgendwelches Papier in Brand gesetzt hat. Vielleicht ist auch ein Kabel durchgeschmort. Alles gut möglich.« Sie macht eine Pause. Möglich auch, denkt sie, dass das alles in einer knappen Stunde abläuft. Irgendwie wird es auch möglich sein, dass bei dem Feuer ein kompletter Aktenordner hinausgeweht wird in die Nacht und im Garten liegen bleibt, damit sie ihn findet. Aber… Aber bisher haben wir keinen Beweis. Wir können also auch nicht ausschließen, dass es eine Fremdbeteiligung gegeben hat…«
Die Ortsbäuerin schüttelt den Kopf, ratlos.
»Noch einmal«, sagt Tamar, »niemand behauptet, dass jemand bei dem Feuer nachgeholfen hat. Aber ganz sicher ist das nicht. Noch nicht.«
Die schwarzen Augen weichen nicht von der Stelle.
»Und wenn es doch so sein sollte, dass da jemand nachgeholfen hat, dann muss ich auch mit Hollerbachs Kundinnen reden. Es geht dann nicht anders.«
»Aber …« Die schwarzen Augen werden entsetzensvoll groß. Was hast du eigentlich? Wir werden in diesem Ordner doch bei Gott keine Vier-Finger-Venus finden? »Das alles«, sagt Tamar energisch, »muss nicht so sein, das kann so sein. Auch das Münster kann einstürzen. Aber wenn es so kommt, dann wäre es am besten, wenn wir einen Pakt schließen, Sie und ich, einen ganz diskreten Pakt. Sie sorgen dafür, dass sich die Frauen, die sich haben fotografieren lassen, bei mir melden und einen vertraulichen Termin vereinbaren, und kein Mensch muss etwas davon erfahren…«
Das Telefon schlägt an.
Es meldet sich Dr. Roman Kovacz, Pathologe und Gerichtsmediziner der Universität Ulm.
»Das trifft sich gut«, sagt Tamar, »ich wollte nachher bei Ihnen vorbeischauen…«
»Ich verstehe«, antwortet Kovacz, »Sie sind gerade in einer Besprechung? Tut mir Leid, dass ich stören muss …«
Red nicht so herum, denkt Tamar. Du wirst doch nicht…
»Ich werde es kurz machen«, fährt Kovacz ungerührt fort, »aber ich fürchte, dass Sie keine Zeit für einen Besuch bei mir haben werden… Hollerbach,
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