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Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Titel: Der Hund des Propheten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Eugen, geboren 7. März 1946, ist NICHT erstickt und NICHT an einer Rauchvergiftung gestorben.«
    Niemand spricht in Großbuchstaben. Auch Dr. Roman Kovacz nicht. Nur Tamar hört es so. Sie sagt gar nichts.
    »Eugen Hollerbach ist durch Einwirkung stumpfer Gewalt auf seinen Kehlkopf gestorben«, teilt Kovacz mit, »damit war die Blutzufuhr zum Gehirn blockiert. Exitus.«
    »Stumpfe Gewalt? Gegen den Kehlkopf?«, fragt Tamar. »Ein Handkantenschlag?«
    »Ich bin kein Hellseher«, kommt es durch den Hörer, »aber ein Handkantenschlag könnte solche Wirkung haben, durchaus. Zum Beispiel, wenn jemand zugeschlagen hat, der diese Technik beherrscht, ein Profi also. Ich sagte Ihnen ja, dass Sie keine Zeit zu einem Besuch haben werden.«
    Tamar legt den Hörer auf und sieht die Frau auf der anderen Seite des Schreibtischs an. »Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, wir sprachen über einen Pakt…« Eine Grimasse huscht über Tamars Gesicht. »Politiker würden jetzt sagen, der Bündnisfall ist eingetreten.«
    Die Ortsbäuerin versteht nicht.
    »Frau Ringspiel – das Münster IST eingestürzt.«
     
     
    Berndorf hat in der Eingangshalle des »Tagblatts« Platz genommen und wartet, neben ihm steht Felix und lässt einen Sabberfaden aus dem Maul hängen. Eigentlich kann Berndorf mit diesem Hund nicht unter die Leute, aber was soll er machen? So ist das nun einmal mit dem Vermächtnis der Propheten. Er betrachtet den im Halbdunkel spiegelnden Marmorboden und überlegt, warum die Leute in diesem Haus nicht lieber ihren Stil polieren statt den Boden.
    »Ach, da ist ja dieses Tier!« Frentzel kommt auf ihn zu. »Wenn es ein anderer Tag wäre, würde ich sagen: zu viel der Ehre!« Berndorf ist aufgestanden, sie tauschen einen Händedruck, Felix schnuffelt kurz an dem Redakteur und wendet sich ab. »Sie wissen, dass Hollerbach…?«
    Berndorf sagt, dass er es weiß.
    »Die Einschläge nähern sich«, sagt Frentzel. »Aber was mag es wohl bedeuten, dass heute nun ausgerechnet Sie unsere armselige Hütte aufsuchen? Ich kann mir nicht helfen, aber ich rieche …, nun ja, ich rieche Menschenfleisch, verbranntes Menschenfleisch …«
    Ich bin pensioniert. Aus dem Geschäft. Abgetakelt. »Ich hätte gerne in Ihrem Archiv etwas nachgelesen, was Jonas Seiffert betrifft – Sie wissen, diesen verstorbenen Ortsvorsteher, er war früher Polizist, ein Freund von mir, wenn ich mir post mortem so viel Vertraulichkeit erlauben darf …«
    »Schon klar«, antwortet Frentzel und betrachtet Felix, »dieses Tier da war sein Hund. Hollerbach hat mir abgebettelt, dass ich diese Geschichte bringe, Sie müssen schon entschuldigen. Wenn ich freilich gewusst hätte, dass es sein Schwanengesang wird, obwohl ich ja Hollerbach nie direkt für einen Schwan des deutschen Journalismus gehalten habe…«
    Sie steigen von der marmorglänzenden Empfangshalle durch ein marmorglänzendes Treppenhaus in den ersten Stock zu einer Glastür, die mit einer Ausweiskarte geöffnet werden muss, und gelangen über einen längeren verwinkelten Korridor, der nun auf einmal überhaupt nicht mehr marmorglänzend ist, sondern mit abgetretenem Teppichboden ausgelegt, ins Archiv. Das stellt sich als ein enger Durchlass heraus, zu dessen Seiten links und rechts dicht hintereinander wandhohe Regale gehängt sind, die auf Rollen laufen und zur Seite geschoben werden müssen, damit der Besucher an die in den Regalen gestapelten Ordner kommt.
    »Diese Regale«, sagt Frentzel und deutet auf eine Kurbel, die wie das verirrte Steuerrad eines größeren Donaukahns aussieht, »müssen von Hand verschoben werden, sind aber so schwer, dass wir eine mechanische Hilfe dazu brauchen…« Ein weißhaariger Mann mit leicht gebeugtem Rücken nähert sich ihnen und nickt Frentzel zu und Berndorf und betrachtet
    Felix aus runden Brillengläsern.
    »Was kann ich für Sie tun? Einen schönen Boxer haben Sie da. Kräftiger Kerl.«
    Komisch, denkt Berndorf. Ein schöner Hund ist das nun wirklich nicht. Dann sagt er, dass er gerne Zeitungsartikel über die Gemeinde Lauternbürg eingesehen hätte, und zwar aus den Jahren 1960 und folgende, und während er das sagt, spürt er fast körperlich, wie Frentzel hellhörig wird.
    »Das wäre immer mein Traum gewesen«, sagt der Weißhaarige und beginnt, an der Kurbel zu drehen, »ein solcher Hund. Aber hier in die Zeitung könnte ich ihn ja doch nicht mitnehmen…« Felix setzt sich abrupt und beginnt sich mit dem linken Hinterlauf den Kopf zu

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