Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
und eine nackte Frau darin.
»Und ich sag zu ihr, Kind, was hast dir da ins Gesicht geschmiert«, sagt die Bedienung, »so kannst du nicht unter die Kundschaft, da vergeht der doch der Appetit, wenn du die Heppen bringst und hast den ganzen Kleister um die Augen…«
»Deine Kundschaft guckt woandershin«, wirft der Karierte ein und zündet sich eine Zigarette an, »und die Titten von der Kleinen hat man schon immer anschauen können…«
»Wo du hinguckst, wissen wir«, antwortet die Bedienung, »aber wir sind ein Speiserestaurant, und da kann ein Mädchen nicht so rumlaufen. Aber wie ich ihr sag, sie soll den Kleister abwaschen, fängt sie an zu heulen, und die ganze Brühe läuft ihr das Gesicht herunter und darunter kommen zwei solche, also ich sag euch« – sie legt sich die geballten Fäuste vor die Augen – »zwei solche Pfannkuchen von blauen Augen hervor, wie ich sie noch nie gesehen habe, und ich hab viel gesehen, was ein Fätschnerspenk so alles anstellt…« »Manchmal«, summt der Mann und nimmt die Zigarette aus dem Mund und fährt in einer Art von Singsang fort, »aber nur manchmal haben Frauen ein bisschen Haue ganz gern …«
»Alles Huren«, sagt ein Zweiter, der einen grauen Arbeitskittel trägt, wie es Lageristen tun.
»Lass hier noch mal die Luft raus«, sagt der dritte Mann, der seinen mächtigen Bauch in eine blaue Trägerhose verpackt hat, und deutet auf sein Glas.
»Kommt gleich«, antwortet die Bedienung, die offenbar mehr die Chefin als die Bedienung ist, und zapft ein Bier, dann stellt sie es hin, alles mit bedächtiger Eile. »Und dann hat sie mir die ganze Geschichte erzählt, von diesen Scheissfotos, die der Eugen gemacht hat, und dass der Paco ihr dahinter gekommen ist…« Sie unterbricht sich und ringt sich nun doch durch, zu Tamar zu kommen und zu fragen, was die Dame wünsche. Tamar blickt in das blasse Gesicht und fragt sich, wer sich hier eigentlich die Augen und die Nase gepudert hat, dann wartet die Chefin noch immer, und Tamar bestellt eine Portion Kaffee und ein belegtes Käsebrot, weil sie allen anderen Angeboten nicht traut.
Aber Veilchen sind es nicht. Sie hat bloß geheult.
»Und dann hast du den Eugen rausgeschmissen, wenn ich das richtig sehe?«, fragt der Mann, nachdem er mit dem Summen aufgehört hat. »Weil er der Kleinen gezeigt hat, wo sein Vöglein rauskommt, wie?«
»Quatsch«, antwortet die Chefin, »die Fotos sind uralt. Aber der Eugen hätte aufpassen müssen, dass das Zeug nicht unter die Leute kommt.« Dann verschwindet sie in der Küche, von wo man sie klappernd hantieren hört.
»Also mit so was«, sagt der Karierte, »kann sich einer leicht die Finger verbrennen.« Er sieht sich um, ob man seinen Witz auch verstanden hat.
»Nicht bloß die Finger«, ergänzt er sicherheitshalber. Dann senkt er die Stimme. »Habt ihr gesehen, wie die Wally um die Augen aussieht? Also wenn die Funken schlägt, will ich auch nicht im Papierlager sein.«
»Alles Huren«, sagt der Lagerverwalter.
»Anwesende ausgenommen«, antwortet der Karierte, klopft die Asche von seiner Zigarette und pliert zu dem Tisch, an dem Tamar sitzt.
»Diese Ulmer Plempe kannst du eigentlich überhaupt nicht trinken«, sagt der Mann im blauen Anton und wischt sich den Schaum vom Mund.
Es dauert noch eine Weile, am Stammtisch schläft das Gespräch vollends ein, dann erscheint die Chefin und bringt eine Portion Kaffee und das Käsebrot. Auf dem Käsebrot sind halbweiche Essiggürkchen sowie ein verkümmertes Sträußchen Petersilie verteilt.
»Ich wünsche wohl zu speisen«, sagt der Mann im karierten Jackett vernehmlich.
»Carmen ist heute nicht da?«, fragt Tamar. »Oder arbeitet sie nicht mehr bei Ihnen?«
»Oha«, sagt die Chefin und betrachtet Tamar aus großen Augen. »Darf man wissen, wer nach ihr fragt?«
Tamar zeigt ihr wortlos ihren Ausweis, die Chefin wirft einen Blick darauf und nickt.
»Ich hab ja gedacht…«, sagt sie dann, aber Tamar hebt nur kurz die Hand.
»Ich hätte nachher gerne mit Ihnen gesprochen«, erklärt Tamar, »unter vier Augen.« Die Chefin nickt und will wieder zur Theke gehen, als die Tür auffliegt und einen schwarzlockigen Kerl hereinwirbelt. Der Kerl hat eine Narbe auf der Stirn und sieht sich kurz um, dann geht er auf die Chefin zu, die sich ihm zugewandt hat, und fragt:
»Wieso ist die Carmen nicht da?«
Die Chefin sieht zu ihm hoch. »Das weißt du ganz genau«, sagt sie leise. Dann, nach einer Pause: »Du hast sie halb malkobert,
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