Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
jedes Thema, über das Sie schreiben wollen.«
»Nicht über die Geschichte, wie das Haus der Sinti in Lauternbürg abgebrochen worden ist«, wirft Berndorf sanft ein. Zu seiner Überraschung huscht ein ratloser Blick von Tochter zu Mutter, und wird ratlos wieder zurückgegeben.
»Das sagt mir nichts«, kommt die Antwort. »Und meiner Mutter auch nicht.«
»Eben deswegen hätte ich gerne mit Ihrem Herrn Vater gesprochen«, sagt Berndorf, »aber Ihre Mutter sagte mir schon, dass er …« Er macht eine Pause, als suche er nach dem richtigen Wort…, »dass er nicht zu erreichen sei.«
»Jetzt sind wir ja wohl beim Thema«, meint Cosima Autenrieth. »Es hat ein bisschen lang gedauert, finden Sie nicht? Nun hätte ich meiner Mutter zwar dringend geraten, Sie nicht zu empfangen. Aber da Sie nun einmal da sind – sagen Sie uns doch, wer Sie beauftragt hat, nach meinem Vater zu suchen, und warum?«
»Cosima …«, sagt Edith Autenrieth bittend. Aber ihre Tochter fällt ihr ins Wort. »Sei bitte still. Dieser Mann hat uns etwas zu erklären, und das will ich hören.«
»Ich suche nicht nach Ihrem Vater«, antwortet Berndorf. »Und wenn ich es tun würde, würde ich es nicht hier tun. Aber ich glaube, ich habe Sie und Ihre Frau Mutter bereits zu lange in Anspruch genommen.« Er steht auf. »Wenn die Menschen schweigen, muss man mit den Steinen reden.«
»Mit welchen Steinen?«, fragt Cosima Autenrieth scharf. »Bitte setzen Sie sich wieder.«
»Nehmen Sie es nicht wörtlich«, antwortet Berndorf und bleibt stehen. »Eine chinesische Weisheit. Vielleicht ist es auch nur falsch übersetzt.«
Unsinn. Es wird aus der Bibel sein.
»Setzen Sie sich«, sagt die Tochter. Zögernd nimmt Berndorf wieder Platz. Cosima betrachtet ihn so, als müsse sie sich dazu erst zwingen. Kühle Augen registrieren das Jackett, das an den Ellbogen schon etwas abgewetzt ist, die Hosen vom Herrenausstatter hinter den sieben Bergen, die vom Regen noch immer oder schon wieder durchnässten Schuhe.
»Nach dem Anruf meiner Mutter, die mir Ihren Besuch angekündigt hat, habe ich mich an einen Bekannten bei der Bonner Polizeidirektion gewandt.« Offenbar hat sie genug gesehen. »Natürlich weiß ich längst, wer Sie sind. Sie waren Leiter der Mordkommission in Ulm und haben einen äußerst zweifelhaften Ruf. Sie arbeiten nicht nach den Spielregeln. Das ist beunruhigend für uns. Also noch einmal: warum suchen Sie nach meinem Vater?«
»Warum sucht man nach etwas? Weil es nicht da ist.«
»Hören Sie auf, mir chinesisch zu kommen«, fährt ihn die Anwältin an.
Berndorfs Blick gleitet über sie hinweg und richtet sich auf die Mutter. »Als Ihr Mann nach Südamerika ging, hat er seine Jagd im Lautertal an den Herrn Neuböckh übergeben, nicht wahr?«
Edith Autenrieth hebt die sorgfältig gezupften Augenbrauen. »Ich bitte Sie! Das kann ich doch wirklich nicht mehr wissen.« »Sie haben hier kein Verhör zu führen«, sagt Cosima fast freundlich, aber in jenem Ton, der ohne jede weitere Vorwarnung schneidend werden kann.
Berndorf hebt nur die Hand, mit einer halb entschuldigenden, halb abwehrenden Geste. »Haben Sie von Herrn Neuböckh keine persönlichen Gegenstände aus dem Eigentum Ihres Mannes erhalten, Waffen zum Beispiel oder Trophäen, die bis dahin in der Jagdhütte aufbewahrt wurden?«
»Tut mir Leid«, sagt Edith Autenrieth, »also so etwas hat es ganz sicher nicht gegeben…«
Berndorf lehnt sich zurück, betrachtet die Tochter, dann wieder die Mutter. »Ihr Mann hatte sich von Ihnen trennen wollen?« Die Frage kommt leise, fast freundlich.
»Was fragen Sie da?« Plötzlich ist nichts Altgeworden-Kleinmädchenhaftes mehr in der Stimme, sondern nur noch Zorn. Eine zarte, fast fiebrige Röte erscheint auf ihrem Gesicht.
»Das genügt jetzt.« Das ist, kalt und energisch, die Tochter, und diesmal ist Cosima Autenrieth nicht wegzuschieben. »Sie haben die Grenzen überschritten. Sie verlassen jetzt dieses Haus. Auf der Stelle. Sagen Sie Ihrem Auftraggeber …, ach, erzählen Sie ihm doch, was Sie wollen.«
Berndorf steht auf und will sich bei der Gastgeberin für den Tee bedanken, aber jetzt ist sie es, die durch ihn hindurchsieht. »Raus!«, befiehlt die Tochter, und Berndorf nickt höflich und verlässt das Zimmer und geht zur Garderobe, gefolgt von der argwöhnischen Tochter. Er zieht seinen noch immer regennassen Trenchcoat an und will seinen Hut aufsetzen, als Cosima Autenrieth kurz die Hand hebt.
»Einen Moment
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