Der Hund des Todes
wahr!«
Der Richter beugte sich erstaunt vor: »Sind Sie sich eigentlich bewusst, was Sie hier sagen, Mrs Heilger?«
»Ich soll doch die Wahrheit sprechen, nicht wahr?«, lautete ihre Antwort.
Der Staatsanwalt setzte das Verhör fort: »Als der Angeklagte sagte: ›Ich habe sie umgebracht‹, wussten Sie da sofort, wer damit gemeint war?«
»Ja, ich wusste, dass es sich um die alte Dame handelte, die er so oft besucht hatte.«
»Und was geschah dann?«
»Leonard schärfte mir ein zu sagen, dass er um halb zehn nachhause gekommen und den ganzen Abend bei mir gewesen sei. Vor allen Dingen sollte ich nicht vergessen, dass er um halb zehn zuhause gewesen sei. Ich fragte ihn, ob die Polizei wisse, dass er diesen Mord begangen habe. Darauf antwortete er mir: ›Nein, sie werden annehmen, es handle sich um einen Einbrecher.‹«
»Mrs Heilger, bei Ihrer ersten Vernehmung haben Sie ausgesagt, dass Leonard Vole um halb zehn zuhause gewesen sei. Jetzt haben Sie Ihre Aussage geändert. Warum?«
»Weil es um einen Mord geht. Ich kann nicht weiterhin lügen, nur um ihn zu retten. Gewiss, ich bin ihm dankbar. Er hat mich in dieses Land gebracht, und bisher habe ich auch alles getan, worum er mich gebeten hat, weil ich ihm verpflichtet war.«
»Doch wohl auch, weil Sie ihn liebten?«
»Nein, ich habe ich nie geliebt.«
»Romaine!«, klang ein verzweifelter Schrei von der Anklagebank zu ihr herüber. Doch sie achtete nicht drauf und wiederholte:
»Ich habe ihn nie geliebt.«
»Aber Sie waren dem Angeklagten Dank schuldig und daher zunächst bereit, ihm ein Alibi zu verschaffen. Später kam es Ihnen dann zum Bewusstsein, dass Sie nicht richtig gehandelt hatten, nicht wahr?«
»Ja, so war es.«
»Warum hielten Sie auf einmal Ihre Handlungsweise für falsch?«
»Ich sagte es Ihnen ja schon. Weil es sich um einen Mord handelt. Ich kann doch nicht vor Gericht lügen und unter Eid aussagen, dass Leonard zur Zeit des Verbrechens bei mir zuhause war. Nein, das kann ich nicht. Das kann ich beim besten Willen nicht. Ich muss die Wahrheit sprechen.«
»Und was Sie heute ausgesagt haben, das ist also die reine Wahrheit vor Gott?«
»Ja, das ist die Wahrheit.«
Sir Wilfrid begann nun das Kreuzverhör.
»Wusste der Angeklagte, als er mit Ihnen diese Formehe einging, dass Sie verheiratet waren und Ihr erster Mann noch lebte?«
»Nein.«
»Er handelte also im guten Glauben?«
»Ja.«
»Und Sie waren ihm sehr dankbar?«
»Natürlich war ich ihm dankbar.«
»Das haben Sie bewiesen, indem Sie hierher kamen und gegen ihn aussagten.«
»Ich muss doch die Wahrheit sagen!«
»Ist es aber die Wahrheit?«, fragte Sir Wilfrid wütend.
»Ja.«
»Ich warne Sie um Ihrer selbst willen, wenn Ihnen das Schicksal des Angeklagten auch gleichgültig ist. Die Strafe für Meineid ist schwer.«
Hier legte sich Myers ins Mittel. »Mylord, ich weiß nicht, ob diese theatralischen Ausbrüche die Geschworenen beeindrucken sollen, aber ich möchte doch darauf hinweisen, dass kein Grund vorliegt, die Glaubwürdigkeit der Zeugin anzuzweifeln.«
»Mr Myers«, erwiderte der Richter, »es geht hier um Leben und Tod, und da möchte ich der Verteidigung, so weit es angängig ist, jeden Spielraum lassen. Bitte Sir Wilfrid.«
Durch eine Reihe geschickter Fragen verwickelte Sir Wilfrid die Zeugin in Widersprüche, als er sie über die Blutspuren am Ärmel verhörte.
»Vielleicht ist Ihr Gedächtnis in Bezug auf andere Teile Ihrer Geschichte ebenso unzuverlässig. Ursprünglich haben Sie der Polizei gesagt, dass Leonard Vole sich beim Schinkenschneiden verletzt habe und das Blut am Ärmel daher stamme. Warum haben Sie damals gelogen?«
»Ich habe gesagt, was Leonard mir aufgetragen hatte.«
»Und sogar das Messer gezeigt, mit dem er den Schinken geschnitten hatte, wie?«
»Als Leonard die Blutflecke am Ärmel entdeckte, hat er sich absichtlich einen Schnitt beigebracht, um den Anschein zu erwecken, dass das Blut von ihm selbst stamme.«
»Das habe ich nicht getan!«, rief der Angeklagte dazwischen.
Sobald sich dieser wieder beruhigt hatte, fuhr Sir Wilfrid fort:
»Sie geben also zu, dass Ihre ursprüngliche Aussage der Polizei gegenüber ein Gewebe von Lügen war. Sie scheinen eine vortreffliche Lügnerin zu sein. Man fragt sich nur: Haben Sie damals gelogen, oder lügen Sie jetzt? Wenn Sie wirklich so entsetzt darüber gewesen wären, dass ein Mord begangen worden war, warum haben Sie da nicht schon bei Ihrer ersten Vernehmung die Wahrheit
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