Der Hund des Todes
gesagt?«
»Ich hatte Angst vor Leonard.«
Sir Wilfrid wies auf die zusammengesunkene Gestalt auf der Anklagebank: »Sie hatten Angst vor Leonard Vole – Angst vor dem Mann, dem Sie soeben durch Ihre Aussage das Herz gebrochen und allen Lebensmut genommen haben? Ich denke, die Geschworenen werden wissen, wem sie mehr Glauben schenken sollen.«
Der Staatsanwalt wandte sich an den Richter: »Mylord, die Beweisaufnahme der Anklage ist geschlossen.«
Nun hielt Sir Wilfrid eine kurze Ansprache an den Richter und die Geschworenen. Er betonte, dass der Indizienbeweis gegen den Angeklagten sehr belastend sei, und erwähnte lobend die unparteiischen Aussagen der Polizei und der Sachverständigen. Jedoch warnte er davor, den Aussagen der Haushälterin Janet MacKenzie und der Frau, die sich bisher Romaine Vole genannt habe, allzu große Bedeutung beizumessen. »Meine Damen und Herren, glauben Sie etwa, dass diese Zeuginnen in ihren Aussagen vorurteilsfrei gewesen sind? Janet MacKenzie, die durch das neue Testament ihrer Herrin ein Vermögen verloren hat, weil ihr Platz durch diesen unglückseligen jungen Mann ohne sein Dazutun eingenommen worden war… Romaine Vole oder Heilger – wie sie sich auch nennen mag – die ihn in eine Heirat lockte, wobei sie ihm verheimlichte, dass sie schon verheiratet war. Diese Frau schuldet ihm mehr, als sie je wieder gutmachen kann. Sie benutzte ihn nur als Mittel zum Zweck. Er sollte sie lediglich vor politischer Verfolgung retten. Sie hat ja gestanden, dass sie ihn niemals liebte. Nun hat er seinen Zweck erfüllt. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, ihre Aussage sehr sorgfältig zu prüfen – die Aussage einer Frau, der wahrscheinlich die verderbliche Doktrin eingeimpft worden ist, dass die Lüge eine Waffe sei, die man jederzeit zu seinem eigenen Vorteil anwenden dürfe. Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt den Angeklagten, Leonard Vole, auf.«
Leonard Vole, der sich inzwischen wieder gefasst hatte, ging festen Schrittes zum Zeugenstand und legte den Eid ab.
In dem nun folgenden Verhör gab Sir Wilfrid dem Angeklagten Gelegenheit, vor Gericht das zu wiederholen, was er ihm im Verlauf ihrer ersten Unterredung gesagt hatte. Zum Schluss fragte er ihn: »Sie haben die Aussage der Frau gehört, die Sie bis jetzt als Ihre Frau ansahen.«
»Ja«, erwiderte Vole erregt, »und ich kann nicht verstehen…«
Sir Wilfrid fiel ihm ins Wort: »Ich weiß, dass Sie das alles sehr aufgeregt hat. Aber ich bitte Sie, alle Gefühle auszuschalten und meine Frage sachlich zu beantworten. Hat die Zeugin die Wahrheit gesprochen oder nicht?«
»Sie hat nicht die Wahrheit gesprochen.«
»Nun noch eine letzte Frage, Mr Vole. Haben Sie Emily French getötet?«
»Nein, ich habe sie nicht getötet.«
Sobald Sir Wilfrid Platz genommen hatte, begann Staatsanwalt Myers mit dem Kreuzverhör.
»Zu welchem Zeitpunkt in Ihrer Bekanntschaft mit Miss French haben Sie erfahren, dass sie eine reiche Frau war?«
»Ich hatte keine Ahnung davon, als ich sie zuerst besuchte.«
»Aber sobald Ihnen dies klar geworden war, beschlossen Sie, die Bekanntschaft zu pflegen, nicht wahr?«
»Ich weiß, es sieht so aus. Aber ich mochte sie wirklich gern. Geld hatte nichts damit zu tun.«
»Wie viel Geld hatten Sie auf der Bank, als Sie verhaftet wurden?«
»Sehr wenig. Nur ein paar Pfund.«
Wieder holte Myers zu einem bösen Schlag aus. »Ich werde es Ihnen sagen. Bei Ihrer Verhaftung waren Sie finanziell in einer verzweifelten Situation!«
»Das stimmt nicht. Ich machte mir wohl Sorgen, das gebe ich zu. Aber meine Lage war nicht hoffnungslos.«
»Sie hatten also Geldsorgen, machten die Bekanntschaft einer reichen Frau und bewarben sich eifrig um ihre Gunst.«
»Sie verdrehen mir ja die Worte im Munde. Ich sagte Ihnen doch, ich mochte Miss French wirklich gern.«
»Obwohl Miss French eine tüchtige Geschäftsfrau war, haben Sie ihr bei den Steuererklärungen geholfen. Wie kamen Sie dazu?«
»Das Ausfüllen der Formulare machte ihr Schwierigkeiten. Sie wissen ja selbst, dass es nicht so einfach ist, sich darin zurechtzufinden.«
»Bei dieser Gelegenheit haben Sie dann gleich erfahren, wie hoch ihr Einkommen war. Sehr vorteilhaft! Sie haben doch bestimmt gehofft, einen finanziellen Vorteil aus Ihrer Freundschaft mit Miss French zu ziehen, nicht wahr?«
»Nicht in dem Sinne, wie Sie es meinen.«
»Sie scheinen ja meine Gedanken besser zu kennen als ich. In welchem Sinne haben Sie denn einen finanziellen Vorteil
Weitere Kostenlose Bücher