Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand
jeher immer etwas zu meckern gehabt.
Doch die Demonstrationen wurden immer mehr und größer und gewalttätiger, und dann meldeten sich auch noch die Gewerkschaften zu Wort und drohten, zehn Millionen Arbeiter zum Streik aufzurufen. Zehn Millionen! Damit wäre ja die ganze Nation lahmgelegt!
Die Arbeiter wollten weniger arbeiten und mehr Lohn. Und de Gaulle sollte abtreten. Dreimal falsch geraten, fand der Präsident, der schon schlimmere Schlachten als diese gekämpft und gewonnen hatte. Sein wichtigster Berater im Innenministerium, der über die Geschehnisse am besten von allen informiert war, riet dem Präsidenten, hart durchzugreifen. Es ging ganz sicher nicht um Größeres, wie etwa einen von den Sowjets orchestrierten kommunistischen Versuch, das Land zu übernehmen. Dazu würde dieser Johnson sicher wieder seine Spekulationen anstellen, sobald er die Gelegenheit bekam. Die Amerikaner witterten ja Kommunisten an jeder Ecke. Sicherheitshalber hatte de Gaulle auch Innenminister Fouchet und seinen besonders wohlinformierten Mitarbeiter eingeladen. Diese beiden waren dafür verantwortlich, wie das derzeit herrschende Chaos in der Nation angegangen wurde. Dann konnten sie auch gleich selbst Stellung nehmen, falls dieser Johnson naseweis werden wollte.
»Ach, verdammt«, sagte Präsident de Gaulle und stand auf.
Jetzt konnte er das Essen wirklich nicht mehr länger aufschieben.
Der Sicherheitsdienst des französischen Präsidenten hatte den langhaarigen, bärtigen Dolmetscher, den die indonesische Botschafterin mitgebracht hatte, besonders sorgfältig kontrolliert. Doch seine Papiere waren in Ordnung, und er war unbewaffnet. Außerdem verbürgte sich ja die Botschafterin – eine Frau in der Botschaft! – für ihn. Somit durfte auch der Bärtige an der Tafel Platz nehmen, zwischen einem wesentlich jüngeren und schickeren amerikanischen Dolmetscher auf der einen Seite und dessen französischer Kopie auf der anderen.
Am meisten hatte allerdings der bärtige Indonesier zu tun. Sowohl Präsident Johnson als auch de Gaulle richteten ihre Fragen nämlich ausschließlich an die Frau Botschafterin, statt miteinander zu reden.
Präsident de Gaulle erkundigte sich zunächst nach ihrem beruflichen Hintergrund. Amanda Einstein antwortete, dass sie eigentlich eher dumm war, sich durch Bestechung den Gouverneursposten auf Bali geangelt und ebenfalls durch Schmiergelder zweimal ihre Wiederwahl gesichert hatte. Außerdem habe sie sich und ihre Familie in all diesen Jahren gründlich bereichert, bis sie eines Tages völlig überraschend der neue Präsident Suharto angerufen habe, um ihr die Botschafterstelle in Paris anzubieten.
»Ich wusste nicht mal, wo Paris liegt, und dachte zuerst sogar, das wäre ein Land, keine Stadt. Haben Sie schon mal so was Blödes gehört?«, prustete Amanda Einstein.
Das alles hatte sie in ihrer Muttersprache vorgebracht, und der langhaarige, bärtige Dolmetscher übersetzte es ins Englische. Gleichzeitig ersetzte Allan aber fast alles, was Amanda gesagt hatte, durch Äußerungen, die ihm passender erschienen.
Als sich das Essen seinem Ende zuneigte, waren die zwei Präsidenten tatsächlich in einer Sache der gleichen Meinung, auch wenn sie es nicht wussten. Beide fanden die Frau Botschafterin Einstein nämlich unterhaltsam, interessant, aufgeklärt und klug. Nur hätte sie vielleicht ein bisschen mehr Umsicht bei der Auswahl ihres Dolmetschers walten lassen sollen. Der sah ja aus wie frisch aus dem Urwald.
* * * *
Innenminister Fouchets besonders wohlinformierter Mitarbeiter, Claude Pennant, wurde 1928 in Straßburg geboren. Seine Eltern waren überzeugte Kommunisten, die bei Ausbruch des Bürgerkriegs 1936 nach Spanien fuhren, um gegen die Faschisten zu kämpfen. Ihr achtjähriger Sohn Claude war mit von der Partie.
Die Familie überlebte den Krieg und floh auf verschlungenen Pfaden in die Sowjetunion. In Moskau verkündeten sie, sie seien hier, um dem internationalen Kommunismus zu dienen. Sie stellten auch ihren mittlerweile elfjährigen Sohn Claude vor und erklärten, dass er bereits drei Sprachen beherrsche: Deutsch und Französisch von Haus aus, und inzwischen auch noch Spanisch. Ob das auf lange Sicht nicht für die Revolution von Nutzen sein könnte?
Doch, durchaus. Die Sprachbegabung des jungen Claude wurde sorgfältig überprüft, anschließend in einer Reihe von Intelligenztests seine allgemeinen Geistesgaben. Dann wurde er in eine Schule gesteckt, die großes Gewicht auf
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