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Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Titel: Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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darzulegen, hatte er ein Problem.
    Im Folgenden unternahm Allan einen ehrlichen Versuch zusammenzufassen, was der geheime Hutton noch so gesagt hatte. Es lief auf jeden Fall darauf hinaus, dass die Sowjetunion die USA entweder mit Kernwaffen angreifen könnte, oder auch nicht.
    Julij nickte bestätigend, dass dem so war. Entweder oder, damit war zu rechnen.
    Des Weiteren hatte der CIA-Mann Hutton, wenn Allan sich recht erinnerte, seine Besorgnis über die Konsequenzen eines sowjetischen Angriffs auf die USA zum Ausdruck gebracht. Denn selbst wenn das sowjetische Nuklearwaffenarsenal so klein war, dass die USA damit nur ein lächerliches einziges Mal ausgelöscht werden könnten, fand Hutton das immer noch schlimm genug.
    Julij Borissowitsch nickte ein drittes Mal und meinte, es wäre schon wirklich hässlich für das amerikanische Volk, wenn die USA ausgelöscht werden würden.
    Doch wie Hutton diese Gleichung am Ende aufgehen ließ, konnte Allan nicht mehr recht sagen. Aus irgendeinem Grund wollte er eben wissen, wie es um das sowjetische Kernwaffenarsenal bestellt war, und wenn er das wusste, konnte er Präsident Johnson empfehlen, Verhandlungen zur nuklearen Abrüstung mit der Sowjetunion zu beginnen. Obwohl – jetzt war Johnson ja gar nicht mehr Präsident, aber … ach, egal, Allan wusste es nicht. Mit der Politik war es doch immer das Gleiche: Sie war oftmals nicht nur unnötig, sondern zuweilen auch unnötig kompliziert.
    Julij war zwar technischer Leiter des gesamten sowjetischen Kernwaffenprogramms, und er wusste auch alles über Strategie, Geografie und Umfang des Programms. Doch nach dreiundzwanzig Jahren im Dienst des sowjetischen Nuklearprogramms hatte er niemals an die Politik gedacht – und musste dies auch nicht, was gut für ihn und seine Gesundheit war. Er hatte ja im Laufe der Jahre drei verschiedene Staatschefs und obendrauf noch einen Marschall Berija überlebt. So lange zu leben und sich in einer so hohen Position zu halten, war nicht vielen mächtigen Männern vergönnt.
    Julij wusste, welche Opfer Larissa hatte bringen müssen. Und nun – wo sie sich endlich eine Pension und eine Datscha am Schwarzen Meer verdient hatten – war der Grad ihrer Uneigennützigkeit größer denn je. Doch sie hatte sich nie beschwert. Niemals. Deswegen hörte Julij umso besser hin, als sie sagte:
    »Mein lieber Julij. Lass uns erst mit Allan Emmanuel zu ein bisschen Frieden auf Erden beitragen und dann nach New York gehen. Deine Orden kann Breschnew zurückhaben und sie sich in den Hintern schieben.«
    Da ergab sich Julij und sagte »Ja« zum gesamten Paket (mit Ausnahme der Orden in Breschnews Hintern), und bald hatten sich Julij und Allan geeinigt, dass Präsident Nixon nicht in erster Linie die Wahrheit hören musste, sondern eher etwas, was ihn glücklich machte. Denn ein glücklicher Nixon würde auch Breschnew glücklich machen, und dann konnte es wohl kaum Krieg geben, oder?
    Allan hatte gerade einen Spion rekrutiert, indem er auf einem öffentlichen Platz ein Plakat hochgehalten hatte. Und das im Land mit dem effektivsten Kontrollsystem der Welt. Sowohl ein Hauptmann des sowjetischen Nachrichtendienstes GRU als auch ein ziviler KGB-Mann waren zudem an bewusstem Abend vor dem Bolschoi-Theater zugegen, jeweils mit ihren Gattinnen. Die beiden sahen, wie alle anderen, den Mann mit dem Plakat auf der untersten Treppenstufe. Und beide waren schon zu lange in der Branche, um deswegen einen diensthabenden Kollegen zu alarmieren. Denn wer konterrevolutionäre Umtriebe plante, der benahm sich nicht so himmelschreiend auffällig.
    So dumm konnte einfach kein Mensch sein.
    Im Übrigen saß mindestens eine Handvoll mehr oder weniger professioneller KGB- und GRU-Informanten in dem Restaurant, in dem die Rekrutierung an diesem Abend geschah. An Tisch neun spuckte ein Mann seinen Wodka übers Essen, barg das Gesicht in beiden Händen, fuchtelte mit den Armen, verdrehte die Augen und ließ sich von seiner Frau ausschimpfen. Kurz und gut: ein völlig normales Gebaren in einem russischen Restaurant, nicht der Erwähnung wert.
    So kam es, dass ein politisch tauber amerikanischer Agent globale Friedensstrategien mit einem politisch blinden sowjetischen Kernwaffenchef ausbaldowern konnte – ohne dass KGB oder GRU ihr Veto eingelegt hätten. Als der europäische Chef der CIA in Paris, Ryan Hutton, erfuhr, dass die Rekrutierung gelungen war und demnächst die ersten Lieferungen eingehen würden, sagte er sich, dass

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