Der Hundertjaehrige Krieg
Abschwören. Die Richter nahmen das zur Kenntnis und verurteilten sie zu lebenslanger Haft; damit wäre der politische Zweck des Prozesses mindestens teilweise verfehlt worden, doch Jeanne widerrief drei Tage später ihr Geständnis, so daß ihr als nunmehr rückfälliger Ketzerin nach den Regeln des Inquisitionsprozesses der Tod sicher war. Das geistliche Gericht lieferte sie an die weltliche Macht aus, und am 30. Mai ließ Bedford Jeanne auf dem Alten Markt von Rouen verbrennen. In einem Rundbrief an alle geistlichen und weltlichen Fürsten, Barone und Städte Frankreichs behauptete er, daß sie in Erkenntnis ihrer Irrtümer gestorben sei.
8. Wege zum Frieden
(1431–1453)
Am 16. Dezember 1431 wurde der zehnjährige Heinrich VI. in Notre-Dame/Paris zum König von Frankreich gekrönt. Nach dem Prozeß gegen Jeanne d’Arc war das ein notwendiger Schritt, denn die französische Königswürde Heinrichs VI. bedurfte der üblichen sakralen Legitimierung. Die äußeren Umstände der Zeremonie verhießen indes nichts Gutes, denn der rechte Krönungsort, die Kathedrale von Reims, war den Engländern unerreichbar und Paris deshalb ebenso eine Verlegenheitslösung wie die Person des Coronators, Bischof Henry Beaufort von Winchester. Vom hohen Klerus seines kontinentalen Reiches sah der neue König nur die Bischöfe von Paris, Noyon, Beauvais und Thérouanne, nicht dagegen den Erzbischof von Sens als den zuständigen Metropoliten, und keiner der weltlichen Pairs eines Königs von Frankreich war gekommen, nicht einmal der Herzog von Burgund. Dessen Bevollmächtigte hatten drei Tage zuvor in Lille einen sechsjährigen Waffenstillstand mit Karl VII. unterzeichnet. Für die weitere Kriegführung Bedfords war das mehr als ein militärisches Problem, denn nach der Trennung Philipps des Guten von seinem englischen Alliierten setzte sich endgültig die populäre Auffassung durch, daß eine fremde Besatzungsmacht Frankreich schädige und bedrücke. Wenn es gleichwohl noch nicht zur großen Krise der englischen Herrschaft in Frankreich kam, so lag das an dem lähmenden Dauerkonflikt zwischen der von Richemont angeführten Kriegspartei am Hof Karls VII. und La Trémoille, der für seine Strategie des Verhandelns ebenfalls Unterstützung fand.
Im Laufe des Sommers 1434 flammten in der Normandie Kämpfe bewaffneter Bauern mit englischen Söldnern auf; diese Auseinandersetzungen blieben zwar ohne weitreichende Folgen, waren aber insofern bedenklich, als der englische Hof die Normandiebislang als zuverlässiges Territorium des Hauses Lancaster betrachtet hatte. Schwerer wog die Entscheidung der Universität Paris, sich nach Jahrzehnten bewiesener Loyalität aus dem anglo-burgundischen Lager zurückzuziehen. Die Magister waren seit langem über Universitätsgründungen verärgert, die sie als lästige und beeinträchtigende Konkurrenz empfinden mußten. Schon 1422 hatte Philipp der Gute päpstliche Privilegien für eine Universität in Dôle bekommen, und drei Jahre später entstand auch in Löwen eine Universität. 1431 bauten Karl VII. in Poitiers und Yolande von Aragón in Angers schon bestehende Schulen zu Universitäten aus, Johann von Bedford errichtete 1432 in Caen eine Universität für die Normandie und setzte damit ein älteres Projekt durch, gegen das die Pariser Magister jahrelang gekämpft hatten. Alle diese Neugründungen ließen die Pariser Studentenzahlen zurückgehen, so daß die Korporation der Magister nicht nur wissenschaftliche Konkurrenten erhielt, sondern auch wirtschaftliche Verluste hinnehmen mußte. Mit Recht machte sie sowohl den englischen König als auch den Herzog von Burgund dafür verantwortlich und suchte ihre Interessen künftig auf andere Weise zu vertreten: Sie näherte sich Karl VII.
Karl VII., König von Frankreich (1422–1461)
Gemälde von Jean Fouquet, um 1445. Paris, Musée du Louvre
Dessen Bevollmächtigte verhandelten seit dem Frühjahr 1432 in Arras mit burgundischen Prokuratoren, denn auch die Länder Philipps des Guten verlangten nach Frieden, besonders Flandern, das sich unter dem Druck der englischen Tuchmanufakturen immer mehr auf Fernhandel umstellte und dafür sichere Verkehrswege brauchte. Dazu kamen Gefahren von außen, denn Kaiser Sigismund suchte das Bündnis mit Karl VII. gegen die burgundische Ausdehnungspolitik an der Westgrenze des Römischen Reiches und erklärte Philipp dem Guten 1434 den Reichskrieg. Zwar folgte kein Angriff, aber die Drohung wirkte. Im
Weitere Kostenlose Bücher