Der Hurenkiller - Teil 1
Untersuchungsgefängnis.«
»Na
dann!« Wegner schüttelte müde den Kopf.
Schon
der Weg, rüber zu den Gerichten, vorbei an der Alster, die in den ersten
Strahlen der aufgehenden Sonne glänzte, war ein Erlebnis für sich. In einiger
Entfernung sahen sie den Fernsehturm. Direkt daneben lag »Planten un Blomen«,
ein Park, in dessen Mitte an jedem Sommerabend die wunderschönen
»Wasserlichtspiele« stattfanden. Erst letzte Woche hatte Wegner seine Vera
einfach ins Auto gepackt und war mit ihr, Rex und einem Sixpack dorthin
aufgebrochen. Später dann, als die meisten der Zuschauer bereits gegangen
waren, hatte er ihr erzählt, wie sehr er ihre Nähe liebe und als wie wertvoll
und aufheiternd er ihre Gesellschaft empfinden würde. Als er nach diesem
Geständnis in ihre feuchten Augen sah, da blieb ihm nur ein langanhaltender
Kuss, um nun auch die eigenen Tränen zu verbergen. Später dann hatte er sich
beschwert, dass ihm wohl irgendein Blatt oder Haar vom Wasser aus ins Auge
geflogen sei.
Am
Untersuchungsgefängnis angekommen, saßen sie bereits ein paar Minuten später,
mit Daniel Kovaci an einem kleinen Tisch im Verhörraum. Neugierig war auch der
Justizvollzugsbeamte im Raum verblieben und schaute erwartungsfroh zu ihnen
herüber.
»Ist
noch was?«, erkundigte Wegner sich nun grob.
»Nein!«
»Dann
raus! Im Moment brauchen wir sie hier nicht mehr.« Jetzt merkte der
Hauptkommissar, dass der »Schließer« protestieren wollte. »Und grüßen sie ihren
Chef schön ... ich war mit Gerd damals zusammen auf der Polizeischule.«
Schmollend
verzog sich der Mann nun und ließ dabei die schwere Stahltür übertrieben laut
ins Schloss fallen.
»Du bist
einfach ein netter Kerl, Manfred. Das muss man dir lassen«, kommentierte Hauser
den Vorfall lachend.
Sein
Ziel jedoch hatte Wegner mit diesem Auftritt voll erreicht, denn auch Daniel
Kovaci schien der grobe Umgang mit einem seiner Peiniger durchaus gefallen zu
haben. Auf diese simple Art und Weise hatte der Hauptkommissar schon so manche
müde Zunge gelöst.
»So,
mein lieber Daniel ... ich darf doch Daniel sagen, oder?«
»Klar!«
Du hast
damals in der Zelle neben Radu gelegen, ist das richtig?«
»Joup.«
»Und du
hast ihm Gutenacht-Lieder gesungen ... auch richtig?«
Nicken.
»Warum?«,
mit ganz offenen, kurzen Fragen, konnte man Menschen dazu bringen, sich
komplett zu öffnen. Geschlossene Fragen ließen hingegen immer die Möglichkeit
einer ebenso kurzen Antwort, die in der Regel nur aus einem einfachen »JA« oder
»NEIN« bestand.
»Warum
was?«, wollte der Rumäne jetzt wissen.
»Na,
warum du für ihn gesungen hast?«
Jetzt
war es, als ob ein gestauter Fluss seinen Damm durchbrochen hätte und sich das
Wasser nun ungebremst Richtung Tal wälzte. Daniel Kovaci hörte gar nicht mehr
auf zu reden: Wie ein verängstigtes Kind habe Radu auf ihn gewirkt, als man ihn
in seine Zelle sperrte. Selbst die Spritze, welche ihm der Arzt kurz danach
verabreichte, konnte ihn kaum beruhigen. Geweint hätte er die ganze Zeit über.
Von seiner Frau und seinen Kindern habe er gesprochen. Verloren seien sie ...
für immer verloren.
»Was hat
er damit gemeint ... mit verloren?«, wollte Hauser wissen.
»Ich
weiß es nicht, aber er sagte, dass man Geld für sie nach Rumänien schicke. Und
dass sie ihm gedroht hätten, seiner Familie etwas anzutun, wenn er nicht das
täte, was sie von ihm verlangten.«
»Wer
sind Sie?«
»Keine
Ahnung!«
Die
Kommissare beschlossen, sich nicht direkt auf den Rückweg zum Revier zu machen,
sondern stattdessen einen Zwischenstopp auf dem Schrottplatz von Helga Bauer
einzulegen. Zwei Mal hatten sie die resolute Betreiberin zwar schon besucht,
aber auch ein drittes Mal könnte nicht schaden. Sie brauchten einfach mehr
Informationen. Die Rumänen sollten doch wohl Freunde gehabt haben - oder zumindest
Kontakte mit anderen Arbeitern. Kontonummern und möglichst auch die Adressen
der Familien sollte die grimmige Frau herausrücken. Ansonsten würden sie ihr
mit einem Durchsuchungsbeschluss drohen. Das zog immer. Natürlich gewährten die
Betreiber solcher Goldgruben nur äußerst ungern Einblick in ihre Bücher. Dort
floss bei Weitem mehr schwarzes, als offizielles Geld. Wer würde da schon gerne
die neugierigen Augen der Polizei teilhaben lassen.
»Wir
müssen vorher aber noch Rex aus dem Verlag abholen. Vera hat heute Nachmittag
einen Termin beim Bürgermeister ... da sollte sie den Prachtkerl lieber
Weitere Kostenlose Bücher