Der Hypnosearzt
aufriß und brüllte:
»Das muß ich melden, Mainardi. Das gibt Ärger, darauf kannst du Gift nehmen. Und das kostet Geld …«
»Mit der Versicherung bin ich in der Reihe, Leo.«
»Was heißt Versicherung! Was glaubst du, was so 'ne Sauerei für uns bedeutet? Ja, was meinst du, was jetzt in den Zeitungen stehen wird?«
»Ich kann doch nichts dafür …«
»Du nicht, der Fahrer nicht, keiner. Aber dich wird's was kosten. Du bist dran.«
Ach, leck mich doch am Arsch … Mainardi dachte es. Es zu sagen, dazu fehlte ihm der Schneid.
Es war eines jener Wochenenden, die Christa bei ihrer Familie verbrachte. Nicht in der Mühle, nein, Doris war nach Hannover in die Waldhausenstraße zurückgezogen, bewohnte die große Villa allein, während ihr Mann Jürgen zum Mieter eines Appartements im Zentrum geworden war. Doch Christa blieb zuversichtlich. »So, wie es aussieht, bring ich die wieder zusammen …«
Für Stefan bedeutete es einen ruhigen Samstag, angereichert vielleicht mit ein paar Patientenbesuchen. Schlimmstenfalls kam auch ein Notfall dazwischen. Am Samstag abend gab es dann, pünktlich um acht, Christas Pflichtanruf: Ob denn auch alles in Ordnung sei?
Nichts war in Ordnung.
Trotzdem, so übel waren die Stunden am Schreibtisch in einem leeren Haus nun auch nicht.
Die Notizen für den Abschluß seiner Sendereihe lagen bereit, der Recorder wartete, Stefan leistete sich eine Zigarette – die fünfte des Vormittags und somit eine Schande, vor allem wenn man daran dachte, wie vielen Leuten er unter Hypnose schon den Raucherdurst weggezaubert hatte.
Stefan drückte die angerauchte Zigarette aus und nahm das Mikrofon des Recorders. »Ein Arzt begegnet einem kranken, leidenden Menschen. Was wird er tun? Doch das, was nach seiner Erfahrung und nach seinen Erkenntnissen am geeignetsten ist, diesen Menschen von seinem Leiden zu befreien.
In meiner Praxis als Landarzt wende ich seit Jahren die konservativen Mittel an, halte mich exakt an die Vorgaben der wissenschaftlich abgesicherten Schulmedizin, aber ich greife, wenn es mir geboten scheint, auch zum Hilfsmittel der Hypnose-Therapie. In welchem Namen will man mir das verbieten? Es gehört schon ein großes Maß an bornierter Engstirnigkeit dazu, wenn meine schulmedizinischen Gegner Erfolge, die nicht mit ihren Methoden erzielt werden, als ›Phänomene‹ oder ›nicht überprüfbare Einzelfälle‹ herabstufen wollen.
Sie sollen sich meine Krankenkartei ansehen. Ich stelle sie jedem zur Verfügung. In den Jahren, in denen ich mich der Hypnose-Therapie zuwandte, habe ich Resultate erzielt, die mich selbst überraschten. Dabei ging es nicht allein um die Schmerzfreiheit, die selbst bei schwierigen chirurgischen Eingriffen zu erreichen ist, auch langanhaltende chronische Entzündungsprozesse, Muskelschädigungen verschiedenster Ursachen konnten beseitigt werden. Dazu kommt das weite Feld jener Leiden, die auf neurotischen oder psychosomatischen Ursachen beruhen. Gerade das sind Krankheiten, die zu den qualvollsten gehören, weil sie vielen Menschen nicht nur ihre beruflichen Chancen, sondern auch ihre sozialen Verbindungen beschädigen …«
Er stand vom Schreibtisch auf, ging zum Fenster und schloß es. Er goß sich eine Tasse Tee ein und nahm wieder das Mikrofon hoch.
»Sigmund Freud, dessen Erkenntnisse eine ganze Welt veränderten, war einer der ersten, der mit Hypnose-Therapie arbeitete. Die Erfolge, die er dabei erzielte, waren für ihn ausschlaggebend, auf seinem Weg weiterzugehen und die moderne Psychoanalyse und damit auch die moderne Psychologie zu begründen. Obwohl es Freud und seinem Weggenossen Breuel gelungen war, seine Patienten von schweren Neurosen zu befreien, was war die Antwort? Der Vorwurf unwissenschaftlicher Scharlatanerie.
Der Vorwurf ist geblieben – nur ist er ein wenig leiser geworden, die Beweislage ist nun einmal zu zwingend. Die Angriffe laufen stets auf das Wort ›unwissenschaftlich‹ hinaus, aber auch das stimmt nicht. Die heutige Gehirnforschung ist nicht zuletzt von den Ergebnissen der Hypnose-Therapie angeregt, sie beweist zum Beispiel, was kompetente Hypnose-Therapeuten längst behauptet haben, daß im Aufbau und in der Funktionsweise unseres Gehirns zwei Gegenspieler existieren, die rechte – und die linke Hirnhälfte. Deshalb lassen Sie mich heute …«
Stefan kam nicht weiter. Das Telefon war schuld. Bloß nicht, dachte er, als er nach dem Hörer griff, bloß nicht wieder irgendeine Mami, deren Baby Durchfall
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