Der Hypnosearzt
hob den Kanister etwas an, verringerte den Benzinfluß und zog dann sorgsam und mit der Konzentration eines Künstlers, der seine Arbeit liebt, zwei Kreise Benzin um den am Boden Liegenden. Einen Schwall bekam auch das Sofa, dann die Ecke beim Fernseher, eine Lache noch an den Eingang und den Rest in die Küche …
Er war fertig.
Er atmete kurz und flach. Die Gas- und Benzindunst-Mischung stank derart, daß er husten mußte. Sie fuhr in die Lunge, in den Magen, schlecht konnte einem werden!
Sergio hielt sich die Nase zu und rannte ins Freie, den Weg entlang zu den Betonpfeilern. Dort blieb er stehen und drehte sich um.
Er war jetzt etwa zehn Meter von der weit geöffneten Eingangstür entfernt.
Er griff wieder in die Tasche und holte die kleine Bierflasche heraus, die er zu einem Molotowcocktail umgebaut hatte.
Sergio zündete den Docht an, schleuderte ihn in einem geschickten flachen Bogen durch die Tür und warf sich hinter einem der Pfeiler zu Boden, rollte sofort zur Seite und lag nun mit dem Rücken zum Haus.
Die Druckwelle der Benzin-Gas-Explosion schlug wie eine heiße Pranke gegen Nacken und Rücken. Sergios Nacken schmerzte, und er hielt instinktiv beide Hände über den Hinterkopf, um die Haare zu schützen.
Der Garten, die Lichtung, der Zaun, alles war taghell, wie von Scheinwerfern ausgeleuchtet!
Vorsichtig schob Sergio sich hoch, hielt die linke Hand vor das Gesicht. Und da kam der Schlag, gleich darauf ein zweiter. Die Flaschen detonierten …
Es war, als würde der Himmel zu einem gewaltigen Feuerrad aus Flammen, brennenden Holzteilen, gelbem Rauch.
Sergio schloß die Augen.
Das war kein Feuerwerk, das war echt. Und das verdammte Zeug, das die Gasflaschen-Explosion hervorgerufen hatte, das ganze verdammte Haus kam jetzt runter …
Trümmerteile knallten in den Garten, schossen durch die Zweige des Waldes, ein Hagel aus brennendem, zerrissenem Plunder. Na und? Der Auftrag war abgehakt, Pascal Lombard gab's nicht mehr.
Sergio stand auf. Aus dem lohenden schwarzen Skelett, das einmal ein Haus gewesen war, drangen heulende, prasselnde Geräusche.
Sergio lief zur Straße, riß die Tür des Express auf und warf sich in den Sitz. »Na los, du Blödmann!«
Rossi blieb ganz ruhig sitzen und blickte auf das Feuer. Dann drehte er den Kopf.
»Jetzt weiß ich, an wen der mich erinnert hat. An den Bruder meiner Mutter, Onkel Albert. Das war mein Lieblingsonkel.«
»Spätes Barock«, sagte Christa. »Barock oder frühes Rokoko.«
Sie hielt eine Leselupe in der Hand und studierte die Ornamente auf Lindners Kästchen. »Eine wundervolle Arbeit, wahrscheinlich von einem französischen Meister. Das Kästchen könnte von irgendeinem deutschen Fürstenhof stammen. Die Hugenotten-Vertreibung brachte ja eine Menge Goldschmiede ins Land.« Das Meisterzeichen des Goldschmieds habe sie jedenfalls nirgends entdecken können.
Der Frühstückstisch stand auf der Terrasse, strahlend war der Himmel, in Rot, Rosa, Schwarzrot und Gelb standen Christas Tulpen im Garten, in den Zweigen lärmten Spatzen – und das silberne Ding dort funkelte Stefan an.
Christa hob den Kopf. Die Lupe hielt sie noch immer am rechten Auge, und hinter dem Glas wirkte ihre Pupille groß und schwarz wie eine Gewehrmündung.
»Wie kommt er dazu, dir so etwas zu schenken? Was ist hier eigentlich los? Seid ihr ein Liebespaar? Daß Lindner schwul ist, könnte ich mir vielleicht denken – aber du?«
Stefan hatte sich gerade ein großes Stück Brötchen in den Mund geschoben, mit einer Scheibe Käse dazu. In seinem Hals begann es zu würgen. Er konnte das verdammte Brötchen nicht ausspucken, also trank er hastig Kaffee, und Christa lachte, wie nur sie lachen konnte, laut und kehlig wie ein Mann.
»Wie kommst du denn darauf?« brachte Stefan endlich hervor.
»Wie? Eine halbe Stunde lang habe ich mir anhören müssen, daß du aus diesem Lindner zwar nicht schlau wirst, aber wie sehr er dich doch beeindruckt. Und dann seine Visitenkarte!« Sie spitzte den Mund. »Wenn Sie jemals ein Problem oder einen Wunsch haben … Dazu die einzigartige Handy-Nummer, die nur neun Menschen auf der Welt kennen. Und Dr. Stefan Bergmann ist jetzt der zehnte? Umwerfend, oder?«
»Richtig. Bloß kein falscher Neid …«
»Und merkwürdig kommt dir das nicht vor?« Sie schüttelte den Kopf, zog das Frühstücksei heran, köpfte es rasch und präzise wie ein Chirurg mit einem Messerhieb.
Stefan gab seiner Frau recht.
Es war schon merkwürdig. Plötzlich
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