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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Phantasie leichter zu hypnotisieren als weniger intelligente Menschen. Doch manchmal kamen erst in der Trance Widerstände.
    Stefan beschloß, eine verdeckte Induktion anzuwenden, die gar nicht wahrgenommen wurde, eine Tranceeinleitung nach der Methode Erikson. Sie führte die Menschen fast unmerklich in eine andere Welt, wurde als tiefer und lebenswirklicher empfunden und hielt auch länger an.
    Stefan lächelte Annemie Markwart an, dann schob er den Notizblock leicht hin und her, um zu sehen, ob sie seine Bewegungen verfolgte. Sie bewegte die Augen nicht.
    Er nickte ihr zu. Vermutlich erwartete sie die ersten Suggestionen wie beim letzten Mal, als er sie, rückwärts zählend, in Trance versetzt hatte, doch Bergmann ließ leicht seinen Sessel kreisen und deutete zur Wand. »Haben Sie sich schon einmal das Bild hinter mir angeschaut, Frau Markwart? Diese Brücke mit der Blumenwiese?«
    »Das Bild? Ja, das ist sehr schön.«
    »Nicht wahr? So geht es eigentlich jedem Betrachter. Er findet es schön. Und warum? Ich glaube, es ist die Brücke. Brücken verbinden, meinen Sie nicht? Sehen Sie das auch so?«
    Sie nickte. »Ja, ich kenne eine Brücke, die ich sehr mag.«
    »Und wo?«
    »In meiner Heimat. Im Remstal. Ich … ich hab sie sehr geliebt.«
    Er nickte ihr zu. »Annemie, wo haben Sie denn heute Ihre Brille?«
    »Meine Brille?« Sie schien verwirrt. »Die brauch ich eigentlich nur zum Lesen. Das letzte Mal haben Sie mir doch diesen Artikel gegeben.«
    Ihre Aufmerksamkeit durch schnelle Themenwechsel zu verwirren, war ein erster Strategiezug. Bergmann fuhr mit dieser Taktik fort.
    »Früher, als Sie klein waren, wie war das denn? Ich meine, haben Sie schon früh eine Brille gebraucht? Nehmen wir mal den Kindergarten. Konnten Sie da alle Buchstaben gut unterscheiden?«
    Dies war eine bewußte Ablenkung, und damit konnte Stefan ihre Fixierung auf ihn ermüden. Und das wollte er. Unvermittelt begann er, über die Zusammenhänge zwischen Bewußtem und Unbewußtem zu sprechen, über die er auch bei ihrer letzten Sitzung geredet hatte.
    »So verhält sich das bei uns allen«, schloß er. »Ohne daß wir uns dessen gewärtig sind. Zwischen unseren Gefühlen, zwischen dieser ganzen Welt, die in uns lebt und die vor allem aus früheren Erfahrungen stammt, und zwischen dem, was wir im Heute, in der Wirklichkeit wahrnehmen, besteht ein immerwährender Dialog, eine unauflösbare Bindung. Haben Sie das verstanden? Oder sind Sie müde? Ich sehe, wie jetzt Ihre Lider ein wenig zittern?«
    Seine Stimme war noch weicher, noch leiser, tiefer und freundlicher als zuvor geworden und sehr eindringlich. »Nehmen wir den Kindergarten. Sie sind wieder dort, erinnern Sie sich? Man zeigt Ihnen diese Tafeln. War es denn für Sie schwierig, damals das A und das B auseinanderzuhalten. Die Lehrerin sagt: ›Du, Annemie, schau mal genau hin. Was ist das für ein Buchstabe?‹«
    Er hatte seinen Sprachrhythmus weiter verlangsamt und sah sie unverwandt an.
    »Was da geschrieben steht, können Kinder nur sehr schwer lesen, auch du, Annemie. Es geht ganz schwer. Aber du machst dir ja von den Buchstaben ein eigenes Bild. Das ist ein geistiges Bild. Und die geistigen Bilder, die sind wichtig. Wir tragen sie mit uns. Annemie, wir werden sie beleben. Was ist denn mit deinen Lidern, Annemie? Sind sie schwer?«
    Ihr Atem ging langsamer. Auch das Gesicht war entspannt, es kam keine Reaktion auf seine Frage.
    »Sind sie wirklich so schwer?« wiederholte Stefan.
    Sie blieb stumm.
    »Und dann, Annemie? Wie war es dann? Du bist jetzt auf der Volksschule, erinnere dich doch! O ja, du kannst dich erinnern. Alles, was du damals gesehen und erlebt hast, das ist in dir. Du hast es nicht vergessen, Annemie. Im Grunde kann man gar nichts vergessen – alles Erleben bleibt in uns, und das, was wir so Vergessen nennen, das ist nichts anderes als Ablenkung, verstehst du? Verstehst du, Annemie?«
    Diesmal kam ein Nicken. Es war sehr schwach.
    Bergmann sprach weiter, stetig, leise, doch für Annemie Markwart füllte seine Stimme nicht nur den Raum, sie füllte ihr Inneres aus. Sie war soweit, er wußte es. Er brauchte sie nicht einmal zu beobachten, er fühlte es. »Was wir erlebt haben, Annemie, alles ist ein Teil von uns geworden. Nehmen wir deine Brücke, die Brücke aus deiner Jugend, die du so geliebt hast.«
    Ein Lächeln lag jetzt auf ihrem Gesicht.
    »Im Sommer ließ es sich doch so herrlich im Flüßchen schwimmen. Annemie, es ist Sommer. Jetzt … spürst du es?

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