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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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bisschen wollte ich in ihr forschen. Allein schon um zu überprüfen, ob der Schlag auf den Hinterkopf möglicherweise meine suggestiven Fähigkeiten beeinträchtigt hatte.
    Ich fragte sie, ob sie Blumen möge, und angelte mir eine Rose aus dem Korb, der neben dem Kopfende des Bettes stand. Indem ich an ihr schnupperte, schaute ich Jeanne tief in die Augen. Arg suggestibel war sie nicht, dennoch aber gelang es mir, ihre Aufmerksamkeit zu fesseln: Lächerliche, kitschige Erotik, verbraucht und abgedroschen – aber indem ich den Kelch von Madame Berchods Rose über meine Wangennarbe strich, fing ich Jeanne soweit ein, dass sie mir zuhörte.
    »Meine Schwester und ich sind am Geburtstag unserer Großmutter oft zeitig aufgestanden, um die Stube zu schmücken«, sagte ich. »Wie war es bei Ihnen?
    »Oh, ähnlich. Am Montmartre, wo mein Onkel im Auftrag der Stadt ein paar Reblagen bewirtschaftet, haben wir im Garten Unmengen Blumen und auch immergrüne Büsche. Wenn die Mutter meiner Tante Geburtstag hatte, sind wir, ich und mein älterer Bruder - er starb später in der großen Leipziger Schlacht -, am Abend vorher losgezogen, um die Stube auszuschmücken. Efeu hatten wir und dann noch das andere mit den großen breiten Blättern, ich weiß gar nicht mehr, wie das heisst, und noch so ein Gestrüpp, das sich überall anrankt. Ja, auch große weiße Blumen waren dabei und Narzissen, die meine Mama so geliebt hat. Aber auch Rosen, herrliche Rosen! Und eben viele andere Blumen. Wir steckten sie in Vasen und Flaschen und haben Girlanden daraus gewunden. Dazu die beiden Orangenbäumchen, die in Kübeln standen – wir stellten sie rechts und links vom Lehnstuhl auf, und als Tantchens Mutter dann morgens in die Stube trat, war sie immer ganz überrascht und hat sich riesig gefreut.«
    »Riechen Sie die Blumen? Ich bilde es mir ein. Wenn ich die Augen schließe, rieche ich als erstes Narzissenduft. Und Sie?«
    Schritt für Schritt führte ich Jeanne in eine Trance, die dann doch tiefer war, als ich es für möglich gehalten hatte. Trotzdem respektierte ich ihre Ablehnung, Näheres über ihre Putzsucht zu erfahren. Ein paar Erinnerungsräume ließ ich sie jedoch betreten: Jeanne pflückte Blumen mit ihrem Bruder und flüchtete sich unter den Rock der Mutter, als der Onkel einmal auf Besuch war. Ob sie Angst vor ihm habe?
    »Nein«, sagte sie sofort. »Aber er stinkt so aus dem Mund.«
    Behutsam machte ich weiter. „Einen Onkel mit Mundgeruch stelle auch ich mir fürchterlich vor“, sagte ich, „vor allem, wenn man nach dem Tod der Eltern weiß, er wird Vormund und man muss mit ihm und dessen Frau unter einem Dach wohnen.“
    »Und die Tante?«
    »Die stinkt nach Schweiß.«
    »Die Oma?«
    »Nach Pisse.«
    »Aber sonst scheint alles harmlos gewesen zu sein, nicht wahr?«
    Jeanne beruhigte mich. Jeden Samstagnachmittag, erzählte sie, wurde gebadet. Erst der Onkel, dann die Tante, ab und zu die Oma und dann der Bruder. Sie musste Wasser nachgießen, Handtücher bereithalten, und als sie ungefähr zehn Jahre alt und die Oma gestorben war, musste sie der Tante, dem Onkel und dem Bruder den Rücken schrubben.
    »Alle immer im gleichen Zuber, wie? Aber nicht zusammen, oder?«
    So scherzhaft ich fragte, hier begannen die Abgründe, in denen die Dämonen hausten. Jeanne wurde bleich, begann zu würgen. Ich reagierte sofort, rief ihr zu, sie solle gefälligst die Scherben zusammenfegen.
    »Die Scherben, Jeanne! Hast du nun in der Stube die Weinflasche vom Buffet gefegt, oder nicht?«
    »Stimmt, aber Schläge bekam ich nicht.«
    Der Trick hatte funktioniert, Jeanne wurde gleich wieder guter Laune. Zur Belohnung für ihre Bereitwilligkeit wenigsten ein bisschen preiszugeben, folgte ich meinem eigenen Verlangen und sagte ihr, sie dürfe bei Debauve Unmengen von Pralinen in sich hineinstopfen. Die Suggestion war anstrengend und artete zur Selbsthypnose aus. Als ich Jeanne bat, mir eine Schokolade zu kochen und sie deswegen in die Küche schickte – wo sie dann aufwachte –, rief ich ihr hinterher:
    »Jeanne, ich hab Hunger auf Pralinen wie ein Mönch auf `ne Nonne. Ich beschwöre Sie: Kaufen Sie mir und sich bei Debauve ein ganzes Pfund. Ich zahl´s auch.«
    »Sie? Ein nackter Mann?« rief sie lachend. »Wie soll das gehen? Aber vielleicht haben Sie´s Geld ja unter der Haut? Eine geheime Quelle gar? Trotzdem, wenn ich so an Schokolade denke, irgendwie wird mir da gerade ein wenig wunderlich.«
    »Auf was hätten Sie denn Appetit? Auf

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