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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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Ansprüche gräflicher Lebensart. Neben uns nahmen nur noch die Eheleute Roland und Boissieu an dem Tafelvergnügen teil. Die neun Gänge kräftigten und machten uns allen wahrhaft gute Laune: Nicht nur Marie-Thérèse sollte um Mitternacht Walzer tanzen!
    Zum Wachwerden gab es zum Sauternes ein Gros Austern, anschließend andalusischen Spargel mit Butter. Damit war die Bresche geschlagen, um im Sturm den dritten Gang zu nehmen: einen achtpfündigen Kapaun, der bis zur Gurgel mit Trüffeln aus dem Piemont gestopft war. Diesem folgte als Nachhut eine elsässische Gänseleberpastete, angerichtet wie eine Burg, in deren Schießscharten Pastetchen von Entenkükenleber zu entdecken waren. Die Rheinkarpfen mit Limetten schafften Platz für das nächste Gefecht: Wachteln mit Ochsenmark und Trüffeln auf gerösteten Butterschnitten mit Basilikum. Als herrliches Scharmützel gestaltete sich der nachfolgend gespickte Flusshecht mit Krebssauce. Doch einsamer Gipfel der Schlemmerei waren die - Jeanne, ich hab an dich gedacht! - Fasane im Brotteig. Zum Abspannen und Zähneputzen kamen danach die Finkenbrüstchen genau richtig. Was den Wein betraf, kann ich nur sagen, es waren Burgunder, perfekt dekantiert und gelüftet. Mokka, Pralinen auf Eis und diverse Törtchen stopften die letzten Lücken – wir alle dankten Gott, dass er Benediktinermönch und Kellermeister Dom Pérignon eingegeben hatte, der Welt jenes moussierende Faszinosum zu schenken, dass heute Champagner genannt wird. Zehn Minuten vor Mitternacht brachte der Comte uns die Lebensgeister mit dem legendären 11er Jahrgang des Hauses Ruinart zurück.
    Schließlich war es soweit: Der Comte bat die Damen, ihre Schlafröcke anzulegen, und rief dem Abbé zu: »Balthasar, halte dich bereit! Gleich sind deine Klimperfinger gefragt.«
    »Zu Diensten, mein Freund. Marie-Thérèse, denke an dein Versprechen. Du warst der Preis.«
    »Ja gewiß, aber ich mag nicht tanzen. Zumindest nicht jetzt«, seufzte sie.
    »Sie mögen nicht?« fragte Madame Boissieur verständnislos.
    »Weil ich müde bin. Alpträume habe ich auch so schon genug.«
    »Sie bezeichnen einen Walzer mit mir als Alptraum, Marie-Thérèse?« fragte der Comte pikiert.
    »Nein!« rief Marie-Thérèse gequält. »Ich stehe zu meinem Wort. Nur hab ich Ihnen das vorhin ein wenig zu leichtfertig gegeben: Ihr Champagner, Graf, war da noch nicht in meinem Leib und auch nicht in meinem Kopf.«
    »Wenn es weiter nichts ist, Marie-Thérèse ... Vertrauen Sie mir, ich werde Sie so führen, dass Sie keinen Alptraum bekommen, sondern selig in ihr Himmelbett sinken.«
    Der Comte war beruhigt. Ich hingegen, neugierig geworden, bat Marie-Thérèse, mir ihre Alpträume zu schildern.
    »Jetzt?«
    »Was spricht dagegen?«
    »Der Champagner. Aber, nun gut: Ich sitze als kleines Mädchen auf dem Schoß einer Frau, die mir das Haar bürstet. Plötzlich wird die Tür aufgerissen, und mein Onkel kommt herein. Ich glaube, er ist böse. Jedenfalls möchte ich weglaufen, doch ich kann nicht. Er kommt näher, gleichzeitig aber werde ich von hinten gezogen. Ich schreie – und dabei versinkt plötzlich alles um mich herum in Schwärze.«
    »Und dann?«
    »Wache ich auf.«
    Ich schaute sie nachdenklich an, aber auch mein Verstand wollte und konnte nicht mehr arbeiten. Marie-Thérèse lächelte zweifelnd, dann schüttelte sie den Kopf und sank mir mit einem beschwipsten Seufzer an die Brust. Da wir beide - „seitdem“ – noch keine Minute Zeit gehabt hatten, in irgendeiner Weise Vertraulichkeiten auszutauschen, wurde mir ganz schwindlig vor Glück. Aufgekratzt fieberte ich dem Tanz entgegen. Unser aller alkoholisierter Zustand schien mir die beste Entschuldigung.
    Nachdem die Damen umgezogen waren, forderte mich Madame Boissieu auf, sie „schicklich“ zu hypnotisieren. Sie gehörte zu jenen korpulenten, freundlichen Geschöpfen, die beim Pferdestehlen Schmiere stehen würden, und so erfüllte ich ihr den Wunsch. Im Wissen, dass ihr Mann zugegen war, gab sie sich bereitwillig meinen Blicken und Worten hin. Ein Übriges tat der Alkohol, und nach einer Viertelstunde war Madame soweit, dass sie partout den rechten Pantoffel an den linken Fuß stecken wollte und umgekehrt. Ich suggerierte ihr noch, nach jeder Drehung dreimal in die Hände zu klatschen, was sie dann auch zu unser aller Vergnügen tat.
    Abbé de Villers spielte zweimal zwei Walzer, die er ohne Rücksicht auf Melodie und Harmonie mitleidlos herunterhackte. Dem Comte war es bald

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