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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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zuviel, und den Damen schwindelte schon nach den ersten Drehungen. Vor allem Madame Rolland, mädchenhaft proportioniert, physiognomisch leider allerdings etwas vogelscheuchig, wurde bald so müde, dass sie versucht war, in den Armen ihres Mannes einzuschlafen.
    Und Marie-Thérèse? Der Comte konnte sie zwar noch schwankend führen, aber die Drehungen auf dem Parkett schraubten sich in ihren Kopf, fuhren dann herab in den Magen und landeten in metamorphorisierter Form in einer Bodenvase.
    Am nächsten Tag waren wir alle etwas krank, am übernächsten Marie-Thérèse wieder bei Philippe - und am überübernächsten mit dem Abbé unterwegs zu Gastspielen nach Amiens, Le Havre und Rouen.

17.
    Karneval und der Beginn des Frühlings beglückten Paris in diesem Jahr, 1823, zur selben Zeit. Bevor ich ins Elsaß reiste, hatte ich noch ein Versprechen einzulösen: mit Madame Berchod essen zu gehen. Beide waren wir in guter Stimmung: ich, weil glücklich verliebt, Madame, weil ich Wort hielt. In bester Laune schlenderten wir bei warmer Temperatur durch die Straßen, um uns herum das Geschrei maskierter und verkleideter Kinder. Vor der Plaçe Michel und dem Leichenschauhaus hatten sie ein kleines Feuer gemacht, in welchem sie unter theatralischem Geheul selbstgebastelte Königspuppen verbrannten.
    »Königinnen verbrennt ihr nicht?« fragte Madame Berchod im Scherz. »Immer nur Männer?«
    »Klar, weil die Weiber sich doch immer nur ersaufen. Wie die Fette dort in der Halle.«
    Nicht ich, sondern Madame Berchod wollte in die Morgue. Schließlich sei sie Attraktion bei den Touristen, meinte sie, und an Karneval könne eine Begegnung mit dem Tod so schlimm nicht sein. Eingedenk ihrer Schwindsucht musste ich ihr wohl oder übel zustimmen.
    Die Toten der Morgue, die ja bekanntlich allesamt nicht identifiziert sind, lagen hinter dem Holzgitter auf ihren schwarzen Bahren mit dem Kopf zur Wand. In speziellen Pfannen verbrannten Gewürze, die ein angenehmes Aroma verbreiteten. Niemand hätte es hier ansonsten ertragen können, denn die Toten, nackt wie sie alle waren, dünsteten aus. Trotzdem atmete hier niemand tief durch. Das noch feuchte, kuttenähnliche Kleid der „Fetten“, einer Frau von vielleicht fünfzig Jahren, hing an der weißen Wand.
    »Würde ich nie tun«, sagte Madame Berchod.
    »Was? Ins Wasser gehen?«
    »Ja, ich tät Gift nehmen.«
    »Das ist meist qualvoll. Denn die Dosis wird in der Regel zu niedrig angesetzt, zudem ist die Qualität oft schlecht, und dann begehen die armen Sünder meist noch den Fehler, sich vorher eine üppige Henkersmahlzeit zu gönnen.«
    »Ach, tatsächlich? Was ist denn die beste Art?«
    Ich verzog den Mund und schaute Madame Berchod mißbilligend an. Dass sie dabei einen gräßlichen Hustenanfall bekam, rührte mich nicht. Auch wenn ich nicht abergläubisch war, erschien es mir schlicht und einfach leichtsinnig, vor Toten über den Tod zu sprechen. Madame Berchod aber gab noch lange nicht klein bei.
    »Der da hat aber gute Kleider«, sagte sie und zeigte auf den Haken, an welchem die ansehnliche Garderobe eines fast hochmütig lächelnden Stutzers mit noch offenen Augen hing. Ein Clochard neben mir hatte Madames Bemerkung gehört und pfiff anerkennend durch die Zähne. »Wird ja versteigert«, ermutigte sie ihn trocken und begann wieder zu husten. »Der Monsieur kann nur ein Engländer sein. Vor der Versteigerung sagen Sie einfach, man habe ihn aufgefunden, als er bereits grün gewesen sei und es unter seinen Kleidern knisterte. Streuen Sie ein bisschen Ekel, dann wird keiner mitsteigern. Am besten Sie nehmen sich einen Strohmann, der für Sie kauft. Geben Sie ihm die Halsbinde als Lohn. Sie ist was wert, erstklassige Atlas-Seide, wie ich meine. Dafür habe ich einen Blick.«
    »Superbe Idee.«
    »Ja. Trotzdem, jetzt bitte raus hier.«
    Ich nahm Madame Berchod beim Arm und schob sie zum Ausgang. Sie lachte, hustete und benahm sich fast so, als habe ihr Geist Schaden genommen. Ist es nicht komisch, kicherte sie, als wir die Plaçe Michel überquert hatten, ich habe belauscht, wie der Wächter dem Clochard gesteckt hat, im Winter würden sich gerade einmal halb soviel ersäufen wie im Sommer.
    »Und warum? Weil´s Wasser der Seine im Winter zu kalt ist.«
    Ich ließ mich von Madame Berchods Gelächter anstecken. Als uns dann auf der Pont St. Michel zwei todtraurig verkleidete Gestalten entgegenkamen, lachten wir dermaßen, dass uns das Wasser aus den Augen spritzte und Madame Berchod sich

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