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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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Madame Bonet, sämtliche Bilder, Stimmungen und Empfindungen, die sie in der Trance erlebte, zuzulassen, nichts davon auszuschließen und alles als Teil ihrer Geschichte und ihres Schicksals anzunehmen, würde sie ihre Essstörung auch langfristig überwinden.
    Aber allzu einfach wollte sie mir es nicht machen. Denn um ins Innere ihrer Seele zu reisen, brauchte sie das Vehikel meines suggestiven Temperaments.
    »Besuchen Sie mich zu Hause?«
    »Wenn Sie es wünschen? Ja.«
    »Dann kann ich Ihnen dieses Geschenk machen. Schließlich brauche ich Sie ja, um auch in Zukunft diese herrlichen Reisen machen zu können, nicht wahr?«
    Wer hier war nun der Stärkere? Marie, gab ich mir die Antwort. Andererseits – hatte ich nicht Grund genug, auf meine Gabe stolz zu sein?
    Monsieur Bonet war überglücklich, als er seine Marie wieder in die Arme schließen konnte. Auch Esquirol war zufrieden. Für ihn zählte, dass die Salpêtrière um eine Erfolgsmeldung reicher geworden war, gleichgültig ob nun er oder ein anderer für die Therapie verantwortlich waren. Ganz kollegial lud er mich ein, ihn in Zukunft zu besuchen, man könne offensichtlich voneinander lernen.
    Ich fühlte mich geschmeichelt und wandte mich Monsieur Bonet zu, dessen Dank sich noch um einiges großzügiger ausnahm: Kurzerhand erklärte er mich zum Freund der Familie und beschwor mich, wann immer ich auch in der Rue de Babylone unterwegs sei, ihn und Marie dort zu besuchen.
    Mit gemischten Gefühlen beobachtete ich, wie Monsieur Bonet seine Frau ein ums andere Mal umarmte. Wie lange würde Marie dies aushalten? Allein schon, wie dieser Mann seine Frau anstrahlte! Ohne Arg! Ohne allen Vorwurf! Monsieur Bonet war ein Klotz von Mann, ein riesiges Rundholz mit butterweicher Rinde, gutartig, aber gleichzeitig zermalmend. So war es nicht besonders verwunderlich, dass Monsieur Bonet mich in dem abschließenden Vier-Augen-Gespräch sofort verstand. Sicher, er war feist und sein Händedruck von irritierender Festigkeit, aber mir entging nicht die Klugheit, die hinter den fröhlichen Augen leuchtete.
    »Aber natürlich! Wir erdrücken sie!« Monsieur Bonet schlug sich mit der flachen Hand gegen seinen Schädel. »Dass ich nicht selbst darauf gekommen bin! Sie ist ja ein Reh, und das braucht Licht und Luft! Eine Lichtung! Wir aber nehmen sie wie eine Rotte Sauen in die Mitte und warten darauf, dass sie sich mit uns suhlt! Nein! Marie wird einen Salon führen! Bücher lesen. Und die Kinder, die ich ihr mache, werden allesamt Gelehrte! Bis auf eins! Das muss den Betrieb weiterführen.«
    Krachend klopfte sich Monsieur Bonet die Schenkel, lachte dröhnend und legte mir kameradschaftlich seine schwere Hand auf die Schulter. Diese suggestive Geste, mit der er mich für den Rest seiner Tage zu vereinnahmen hoffte, wurde von einer Woge aromatisch duftender Schlachtgewürze begleitet. Thymian, Majoran, Schwartenrauch, Oregano, Pfeffer. Ich konnte nichts dagegen tun, dass mir sofort das Wasser im Mund zusammenlief.
    Bleib bescheiden! Es war meine eigene Stimme, die mir zuflüsterte, eine erträgliche, süße Stimme, aber nichtsdestotrotz beunruhigte sie mich. Mehr noch, ich fühlte, wie sich eine Beklemmung in mir breit machte. Auf einmal schien es mir, als drücke mich ein giftiger Stein. Wenn ich mich auf ihn konzentrierte und in mich lauschte, verschwand der Druck. Aber je vernünftiger ich daran arbeitete, kein Aufhebens um den Fall Bonet zu machen, allein deshalb, weil ich mir Esquirols Sympathie nicht verderben wollte, um so deutlicher spürte ich diesen seltsamen Stein.
    Aber, haderte ich mit mir: Was maßt du dir an? Denn hatte ich, Hand aufs Herz, tatsächlich Erfolg gehabt?
    Im Grunde, redete ich mir ein, im strengen Sinn hast du Marie Bonet nicht geheilt. Die Depression hat sie zwar überwunden, aber nur, weil du ihr eine Tür aufgestoßen hast, hinter der sie unerwartete Schatzkammern entdeckt hat. Die möchte sie jetzt mit deiner Hilfe plündern. Verständlich. Doch bist du damit nicht zum Lakai geworden? Zum Souffleur, der ihr mit Blicken und Worten gewissermaßen den Steigbügel hält?
    Meine Beklemmung schwand erst, als ich in einer Aufwallung von Eitelkeit und Trotz beschloss, meine Suggestions-Versuche auszuweiten. Ich konnte und wollte meine phänomenalen suggestiven Kräfte, die wohl weit größer waren, als ich selbst bisher angenommen hatte, nicht länger brachliegen lassen. Welche Möglichkeiten taten sich auf! Was für Entdeckungen ließen sich damit

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