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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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Wadendurchschuß zu verkraften gehabt.
    »Majestät hat mir in Borodino mal ´nen fetten Putenschlegel zugeworfen, als ich Meldung machte, wir hätten die Russen vor unserer Batterie im Dreck. Das hörte auch einer seiner Ordonnanzen und der hat sich so darüber gefreut, dass er `ne Flasche Burgunder hinterherschickte. Oh, das werd ich nie vergessen! Ein Viertelstündchen verschnaufen dürfen! Noch eins später war ich dann so besoffen, dass ich in Schlangenlinien durch Kugelhagel und Artilleriebeschuß bin. Klar, war ich `ne Sau, weil ich alles selbst gefressen und gesoffen hab. Aber im Krieg gibt´s alles. Schweinerei und Kameradschaft, Feigheit und Tapferkeit. Jeder, der überlebt, macht einmal alles durch.«
    Frédéric kippte seinen Cognac wie einen Wodka und strich sich seinen grauen Schnauzbart. Sein Gesicht war steinern, farblos, die Lippen aber wirkten lebendig. Mir kam es vor, als wolle er etwas erzählen, was er sich dann aber doch aus irgendwelchen Gründen wieder verkniff. Neugierig geworden schenkte ich nach. Ich hatte kurzerhand eine halbe Flasche gekauft, nicht nur, weil ich Frédéric gerne reden hörte, sondern der Cognac in meinem Gedärm segensreich arbeitete. Zweiundfünfzig Jahre sei er alt, verriet Frédéric, mithin Feldwebel außer Dienst, Rentier und ein bisschen Bauer. Sophie sei seine Liebe. Vor zwei Jahren habe er sie, die Witwe seines Bruders Pièrre, geheiratet.
    »Er war Bauer, wie es einer sein muss. Sophie dagegen ist n´ Geschöpf wie aus `nem Buch: bisschen zu fein für `nen Bauern, aber mit `nem Händchen fürs Geld anlegen, Lesen und es sich schön machen. Pièrre hat´s übertrieben. Beim Melken wurde ihm wunderlich, dann fiel er auf der Schwelle zum Kuhstall tot hin. Ein Kind hat er bei ihr nicht hingekriegt. Aber ich. Sogar zweimal, denn eins ist wieder unterwegs. Ach, dieses Kleid! Ich würd` meine Sophie doch zu gerne mal als `ne Pariserin sehen. Wie `ne Dame. Aber mal angenommen, ich hätte jetzt diese vierhundertneunundneunzig – ausführen kann se das Kleid im Winter nicht, weil sowas ja auf die Boulevards in einen feinen offenen Wagen gehört, kleidgemäße Gesellschaft aber kennen wir auch keine, und in den Theaters wäre das Stück für da, wo wir sitzen täten, wieder zu fein. So ist also alles in Ordnung. Aber es is interessant, drüber zu denken.«
    »Dabei bin ich mir jetzt gar nicht mehr so sicher, ob der Preis für das Kleid galt oder nicht doch nur für den Zobelmuff, Frédéric. Ich glaube immer mehr, dass das Kleid noch viel teurer war. So wie das aussah, da reichen keine vierhundertneunundneunzig.«
    Frédéric schlug mit der Faust auf den Tresen, aber es war nicht böse gemeint. Seine Augen blitzten vor Vergnügen, und genießerisch und voller Vorfreude auf das nächste Glas Cognac leckte er sich die Lippen. Ich ließ mich nicht lumpen und schenkte gerne nach, weil Frédérics unkomplizierte Art mich das Konzert vergessen ließ. Bald kam es mir vor, als habe die Vorsehung mir diesen Veteran genauso absichtsvoll über den Weg geschickt wie Marie Bonet: Frédérics Gedanken wurden mit jedem Schluck Cognac tiefsinniger. Als er an die massenhaften Enthauptungen in der Ära Robespierre erinnerte und darüber Betrachtungen anstellte, entpuppte er sich geradezu als Philosoph. Je länger ich zuhörte, um so stärker berührte mich, was er sagte.
    »Einmal war auch ich auf der Plaçe de la Revolution dabei, und das war Frühjahr 1794. Zuvor hatten General Dugommier und Majestät, damals noch Artilleriehauptmann, am 19. Dezember 93 den Spaniern und Revolutionsverrätern mit einer saftigen Kanonade Toulon abgenommen. Mein Bataillon wurde darauf der Maas-Armee General Jourdans unterstellt, mit dem wir Juni 94 in Belgien die Preußen und Österreicher bei Fleurus schlugen..«
    Frédérics Schnodderigkeit wich militärischer Genauigkei. Die Begeisterung, damals mit dabei gewesen zu sein, war nicht zu überhören. Doch als er seine Betrachtungen über die Enthauptungen anstellte, wurde seine Stimme grüblerisch. Frédéric kam auf die Guillotine zu sprechen und verglich die Geköpften mit zu großen Spargeln. Der Unterschied sei allein, dass beim Spargel unten abgeschnitten werde – im Grunde aber sei beides ein und dasselbe, denn natürlich sei es ja ums Gleichmachen gegangen. Denn die Revolutionäre hätten vor nichts soviel Angst gehabt wie vor aus der Masse herausragenden Köpfen: vor allem Adeligen, Wissenschaftlern, Geistlichen, Künstlern und Rednern.
    »Die

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