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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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mich nicht von Marie bemuttern lassen und dabei ein bisschen Behaglichkeit und Gefühlswärme hamstern? Dankend nahm ich in einen ausladenden Louis-quinze-Sessel Platz, in den mich Monsieur Bonet nötigte, schnupperte anerkennend am Korken des frisch von ihm geöffneten Bordeaux, während er mit wissendem und genießerischem Brummen einschenkte.
    Mit verblüffender Noblesse reichte er mir das Glas und schob einen Hocker für die Füße heran. Doch auch damit war es nicht genug: Er holte noch eine Wolldecke und deckte mich gewissenhaft zu. Perfekt war es für ihn aber erst, als er mir eine Kissenrolle in den Nacken schob. Konzentriert und entgegen seiner Art schweigend bewegte sich dieser große Mann behende in der kleinen Stube, rollte sogar einen Servierwagen heran, schenkte noch einmal nach und entzündete schließlich eine Kerze. Darauf verabschiedete er sich nach unten in den Laden. Die Schritte auf der Treppe verloren sich.
    Ich war allein. Aus der Küche drangen scheppernde Geräusche, es duftete nach frischen Kräutern und Suppe. Die Kerze flackerte, beleuchtete das Gnadenbild der Madonna, über dem ein Rosenkranz hing.
    Bitte für mich, dass alles gutgeht, dachte ich im stillen.
    Und laß sie mir vergeben.
    Mir wurde warm, schläfrig schloss ich die Augen. Der Comte kam mir in den Sinn. Hatte er mich nicht halb im Ernst gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, sein Schwiegersohn zu werden? Es musste am Dämmerlicht liegen, das mir einen Alptraum suggerierte. Eine Pflicht dagegen schien es für mich zu sein, auf Wunsch von Daniel Roland und Albert Joffe am Fall Oberkirch mitzuarbeiten. Nur eine Pflicht? Ich war mir sicher, ich würde ihrer Bitte nachgeben, allein schon um Marie-Thérèse wiederzusehen ... Das Flackern des Kerzenlichtes warf meine Gedanken durcheinander. Wie sehr sehnte ich mich nach ihr – doch stattdessen durchdrang des Comptes Sarkasmus mein Denken: Hélène heiraten!
    Comtesse de Carnoth hätte jeden Mann genommen, der bekannte, er würde sie lieben. Nach Juliette war sie das bemitleidenswürdigste Geschöpf, das mir je unter die Augen gekommen war. Neben ihrer im wahrsten Sinne des Wortes maßlosen Erscheinung trug sie immer noch an den Folgen ihres Reitunfalls, in der Form, dass ihr zu unpassenden Zeiten schlicht die Beine wegknickten. Für etliche Stunden, manchmal ganze Tage, war sie dann von der Hüfte abwärts gelähmt, nunaber, nach der grausamen Erkenntnis, in der Liebe betrogen worden zu sein, stand sie gar nicht mehr auf. Stumm lag sie in ihrem Salon auf der Chaiselongue und ließ sich von ihrem Mädchen Gedichte vorlesen. Dabei schlief sie ein und begann zu weinen, im Traum zu weinen.
    Nun hoffte der Comte darauf, dass ich an ihr das Wunder La Belle Fontanon`s wiederholte.
    »Stehend ist sie zwar in der Fassade auch nicht besser als liegend«, hörte ich den Compte zynisch sprechen, »aber nachts sind sowieso alle Katzen grau, zudem bekommt sie eine nicht ausschlagbare Mitgift. Und dann – Mädchen wie sie muss man bekanntlich nur scharf anschauen.«
    »Warum sind Sie so eklig, Graf?«
    »Damit ich etwas habe, das ich im Fegefeuer ausschwitzen kann.«
    Ich schreckte hoch, bildete mir ein, jemand habe mich gerufen.
    »Ja?«
    »Hat da jemand ein Nickerchen gemacht?«
    Marie Bonet klang mütterlich, und die Bouillon, die sie brachte, dampfte genauso, wie eine klare Bouillon mit drei Karottensternchen auf dem Grund der Suppentasse dampfen musste.
    »Ich muss eingeschlafen sein. Ich bildete mir ein, jemand habe mich gerufen.«
    »Dann wurden Sie das auch, mein Guter«, antwortete Marie Bonet.
    Wie ich Stunden später erfuhr, hatte sie recht.
    Es war Hélène gewesen, die nach mir gerufen hatte. Ich will an dieser Stelle frei berichten, was mit der Comptesse geschah, während ich mich von Marie Bonets Kochkunst verzaubern ließ: Sie hatte sich, so wurde mir später erzählt, auf ihre Chaiselongue gelegt, wo sie lange Zeit mit weit aufgerissenen Augen in einen Standspiegel geschaut hatte, der am Fußende ihrer Chaiselongue aufgestellt worden war. Ihrem Mädchen hatte sie anschließend frei gegeben, ihr Vater war zu einer Auktion gegangen. Sie konnte sich also ungestört ihrem Wunschtraum hingeben. Stundenlang muss sie versucht haben, sich selbst zu hypnotisieren, was ihr irgendwann auch gelungen war. Ihr Ziel musste es gewesen sein, wieder durch den Spiegel zu treten und zu erleben, wie sie sich von ihrem treulosen Entführer küssen und lieben ließ. Das Blut, das ihr dabei aus der

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