Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
sie, bis Marek mit dem Gewehr auf sie anlegte und rief, dass er sie umbringen würde, falls sie noch einen einzigen Mucks von sich geben sollte.
Lydia ist nicht da. Benjamin setzt sich auf und sagt mit seiner heiseren Stimme:
»Marek, es gibt etwas, das du wissen solltest …«
Marek sieht Benjamin mit Augen an, die schwarz wie Pfefferkörner sind, legt sich auf den Boden und macht Liegestütze.
»Was willst du, du kleines Stück Scheiße?«, fragt er ächzend.
Benjamin schluckt mit seiner wunden Kehle.
»Jussi hat mir erzählt, dass Lydia dich umbringen wird. Erst ihn, dann Annbritt und am Ende dich.«
Marek macht weiter Liegestütze und steht schließlich seufzend vom Boden auf.
»Du bist ein lustiger Haufen Scheiße.«
»Das hat er jedenfalls gesagt«, erwidert Benjamin. »Sie will nur mich haben. Sie will mit mir allein sein. Das ist wahr.«
»Ach wirklich?«, sagt Marek.
»Ja, Jussi hat mir erzählt, dass sie ihm gesagt hat, was sie vorhat, dass sie als Erstes ihn töten würde, und jetzt ist er …«
»Halt die Schnauze«, unterbricht Marek ihn.
»Willst du hier nur herumsitzen und warten, bis du an der Reihe bist?«, fragt Benjamin. »Du bist ihr völlig egal, sie findet, dass sie und ich eine bessere Familie sind.«
»Hat Jussi wirklich gesagt, dass sie mich umbringen wird?«, fragt Marek.
»Ich schwöre dir, sie wird …«
Marek lacht schallend, und Benjamin verstummt.
»Ich habe wirklich schon alles gehört, was man aus Angst vor Schmerzen sagen kann«, erklärt er grinsend. »Alle Versprechungen und alle Finten, alle Abmachungen und Kniffe.«
Marek wendet sich teilnahmslos der Fensterscheibe zu. Benjamin seufzt und versucht, sich etwas anderes einfallen zu lassen, als Lydia hereinkommt. Ihr Mund ist streng und schmal, ihr Gesicht ist sehr blass, und sie hält etwas hinter ihrem Rücken verborgen.
»Eine Woche ist vergangen, und es ist wieder Sonntag«, verkündet sie feierlich und schließt die Augen.
»Der vierte Advent«, flüstert Annbritt.
»Ich möchte, dass wir uns entspannen und über die vergangene Woche nachdenken«, sagt Lydia langsam. »Vor drei Tagen ist Jussi von uns gegangen, er weilt nicht mehr unter den Lebenden, seine Seele reist in einem der sieben Himmelsräder. Für seinen Verrat wird er in Tausenden Inkarnationen als Schlachtvieh und Insekt in Stücke gerissen werden.«
Sie verstummt.
»Habt ihr nachgedacht?«, fragt sie nach einer Weile.
Sie nicken, und Lydia lächelt zufrieden.
»Kasper, komm her«, sagt sie gedämpft.
Benjamin versucht aufzustehen und gibt sich alle Mühe, nicht vor Schmerz zu grimassieren, aber Lydia fragt trotzdem:
»Ziehst du mir eine Schnute?«
»Nein«, flüstert er.
»Wir sind eine Familie und respektieren einander.«
»Ja«, sagt er und ist den Tränen nahe.
Lydia lächelt und zeigt ihnen, was sie bis jetzt hinter ihrem Rücken versteckt gehalten hat. Es ist eine Schere, eine große Nähschere mit breiten Schenkeln.
»Dann dürfte es dir auch nicht weiter schwerfallen, deine Strafe anzunehmen«, sagt sie ruhig und legt mit völlig unbeteiligter Miene die Schere auf den Tisch.
»Ich bin doch nur ein Kind«, sagt Benjamin und wankt.
»Steh still«, brüllt sie ihn an. »Dass es aber auch nie genug ist, dass du nie, wirklich nie hören willst. Ich kämpfe und bemühe mich, ich arbeite und rackere mich dafür ab, dass unsere Familie intakt ist. Eine Einheit und rein. Ich will doch nur, dass alles gut läuft.«
Benjamin weint mit gesenktem Kopf und schweren, heiseren Schluchzern.
»Sind wir etwa keine Familie?«
»Doch«, sagt er. »Doch, das sind wir.«
»Und warum benimmst du dich dann so? Hintergehst uns, verrätst und betrügst uns, bestiehlst uns, verleumdest uns und machst alles kaputt … warum tust du mir das an? Warum steckst du deine Nase überall hinein, tratschst und petzt.«
»Ich weiß es nicht«, flüstert Benjamin. »Entschuldigung.«
Lydia greift nach der Schere. Sie atmet jetzt schwer, und ihr Gesicht ist verschwitzt. Wangen und Hals sind rot gefleckt.
»Du wirst bestraft, damit wir das alles vergessen können«, sagt sie in einem leichten und sachlichen Ton.
Ihr Blick ruht abwechselnd auf Annbritt und Marek.
»Annbritt«, sagt sie. »Komm her.«
Annbritt, die auf ihrem Stuhl gesessen und die Wand angestiert hat, tritt zögernd näher. Ihr Blick ist nervös und flackert überall hin, ihr kleines Kinn zittert.
»Schneid ihm die Nase ab«, sagt Lydia.
Annbritts Gesicht wird feuerrot. Sie sieht
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