Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
Maja .
Es gibt Momente, in denen man mit jedem Atom seines Körpers weiß, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht stammte diese Angst, betrogen zu werden, aus ihrer Kindheit, als sie mit ansehen musste, wie ihr Vater hintergangen wurde. Er, der bis zu seiner Pensionierung bei der Polizei gearbeitet und für seine außerordentliche Ermittlungsarbeit sogar eine Auszeichnung verliehen bekommen hatte, benötigte viele Jahre, um die immer unverhohlenere Untreue seiner Frau zu entdecken.
Sie erinnert sich, dass sie sich an jenem Abend, an dem ihre Eltern den furchtbaren Streit hatten, der damit endete, dass ihre Mutter die Familie verließ, einfach nur versteckt hatte. Der Mann, mit dem ihre Mutter in den letzten Jahren ihrer Ehe ein Verhältnis hatte, war ein Nachbar, ein trinkender Frührentner, der früher ein paar Platten mit Tanzmusik aufgenommen hatte. Ihre Mutter zog mit ihm in eine Wohnung in Fuengirola an der Costa del Sol.
Simone und ihr Vater hatten weitergelebt, die Zähne zusammengebissen und festgestellt, dass es in ihrer Familie ohnehin immer nur sie beide gegeben hatte. Sie war aufgewachsen und hatte die gleiche sommersprossige Haut, die gleichen rotblonden, lockigen Haare bekommen wie ihre Mutter. Aber im Gegensatz zu ihrer Mutter hatte Simone einen lachenden Mund. Jedenfalls hatte Erik das einmal zu ihr gesagt, und seine Beschreibung gefiel ihr.
Als Jugendliche hatte Simone Künstlerin werden wollen, dann aber doch nicht den Mut dazu aufgebracht. Ihr Vater Kennet versuchte, sie zu überreden, etwas Bodenständiges zu werden, kein Risiko einzugehen. Heraus kam ein Kompromiss. Sie begann, Kunstwissenschaft zu studieren, fühlte sich im studentischen Milieu überraschend wohl und schrieb mehrere Artikel über den schwedischen Künstler Ola Billgren.
Auf einer Promotionsfeier lernte sie Erik kennen. Er kam zu ihr und gratulierte ihr, weil er dachte, sie hätte promoviert. Als er seinen Irrtum erkannte, wurde er rot, entschuldigte sich und wollte wieder gehen. Aber irgendetwas, nicht nur die Tatsache, dass er groß war und gut aussah, sondern vor allem seine behutsame Art hatte sie veranlasst, sich mit ihm zu unterhalten. Kurze Zeit später waren sie in ein ebenso interessantes wie unterhaltsames Gespräch vertieft, das nicht enden wollte. Schon am nächsten Tag trafen sie sich wieder, gingen ins Kino und sahen Ingmar Bergmans Fanny und Alexander .
Simone war acht Jahre mit Erik verheiratet, als sie mit zitternden Fingern den Briefumschlag mit dem Absender »Maja« öffnete. Zehn Fotos fielen auf den Küchentisch. Die Aufnahmen hatte kein professioneller Fotograf gemacht. Verwackelte Nahaufnahmen einer weiblichen Brust, eines Munds und eines nackten Halses, eines hellgrünen Slips und schwarzer dicht gelockter Haare. Auf einem der Bilder sah man Erik. Er wirkte erstaunt und glücklich. Maja war eine süße, sehr junge Frau mit kräftigen dunklen Augenbrauen. Sie hatte einen großen, ernsten Mund und lag nur mit einem Slip bekleidet auf einem schmalen Bett, und ihre schwarzen Haare fielen in Locken auf breite weiße Brüste. Sie sah froh aus, erhitzt unter den Augen.
Es widerstrebt einem, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie man sich fühlt, wenn man betrogen wird. Seit langer Zeit ist alles nur noch ein Gefühl der Trauer und ein eigentümlicher, leerer Sog im Magen sowie der Wille, die verletzenden Gedanken zu verdrängen. Trotzdem weiß sie noch, dass sie im ersten Moment vor allem erstaunt gewesen war. Sprachlos und erstaunt darüber, wie ein Idiot von einem Menschen hintergangen worden zu sein, dem sie blind vertraut hatte. Erst dann stellte sich die Scham ein, gefolgt von einem verzweifelten Gefühl der Unzulänglichkeit, aufflammender Wut und Einsamkeit.
Simone liegt im Bett, während sich diese Gedanken in ihrem Kopf drehen und in verschiedene schmerzhafte Richtungen schießen. Bevor Erik aus dem Karolinska-Krankenhaus zurückkommt, schlummert sie für ein paar Minuten ein. Er versucht, leise zu sein, aber als er sich aufs Bett setzt, wacht sie dennoch auf. Erik sagt, dass er duschen will. Sie merkt ihm an, dass er mal wieder Tabletten genommen hat. Mit pochendem Herzen fragt sie ihn, wie der Polizist hieß, der in der Nacht angerufen hat, aber er antwortet nicht, und sie begreift, dass er eingeschlafen ist. Daraufhin erklärt Simone, dass sie die Nummer angerufen hat und sich kein Polizist, sondern eine kichernde Frau namens Daniella gemeldet hat. Erik schafft es nicht, sich wach zu halten, und
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