Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
Bandscheiben«, erklärt er, verlässt das Büro und geht den Flur hinunter.
Joona Linna folgt Åhlén, der langsam zur Obduktionsabteilung humpelt.
Sie passieren einen unbeleuchteten Saal mit einem freistehenden Obduktionstisch aus rostfreiem Stahl. Er ähnelt einer Spüle, allerdings mit quadratischen Sektionen und erhöhten Rändern ringsum. Sie betreten einen kühleren Raum, in dem die Leichen, die in der Rechtsmedizin untersucht werden sollen, bei einer Temperatur von vier Grad in Schubfächern verwahrt werden. Åhlén bleibt stehen, kontrolliert die Nummer, zieht ein großes Fach heraus und sieht, dass es leer ist.
»Weg«, grinst er und geht durch den Flur, in dem Tausende kleiner Reifenspuren über den Fußboden laufen, öffnet eine andere Tür und hält sie Joona auf.
Sie stehen in einem hell erleuchteten, weiß gekachelten Obduktionssaal mit einem großen Waschbecken an der Wand. Aus einem orange Spritzschlauch sickert Wasser in einen Bodenabfluss. Auf dem länglichen, plastiküberzogenen Obduktionstisch liegt ein nackter und bleicher, von Dutzenden dunkler Wunden übersäter Körper.
»Katja Ek«, konstatiert Joona.
Die tote Frau hat seltsam stille Gesichtszüge, ihr Mund steht halb offen, und die Augen blicken ruhig. Sie sieht aus, als lauschte sie schöner Musik. Ihr Gesichtsausdruck will nicht zu den langen Schnittwunden auf Stirn und Wangen passen. Joonas Blick gleitet über Katja Eks Körper, an dem man rund um den Hals bereits eine marmorierte Äderung ahnen kann.
»Wir schaffen es hoffentlich, uns heute Nachmittag ihr Inneres vorzunehmen.«
»Ja, mein Gott«, seufzt Joona.
Die andere Tür geht auf, und ein junger Mann mit einem unsicheren Lächeln tritt ein. Er hat mehrere Ringe in den Augenbrauen, und sein schwarz gefärbtes Haar fällt in einem Pferdeschwanz auf den Rücken des Arztkittels. Grinsend hebt Åhlén die Faust zu einem Hardrockgruß, den der junge Mann augenblicklich erwidert.
»Das ist Joona Linna von der Landeskripo«, erklärt Åhlén. »Er gehört zu den Leuten, die uns ab und zu besuchen.«
»Frippe«, sagt der junge Mann und gibt Joona die Hand.
»Er spezialisiert sich auf forensische Medizin«, erläutert Åhlén.
Frippe zieht ein Paar Gummihandschuhe an, und Joona folgt ihm zum Obduktionstisch und merkt, dass die Frau von kalter und übelriechender Luft umweht wird.
»Trotz multipler Stich- und Schnittwunden ist gegen sie noch am wenigsten Gewalt ausgeübt worden«, bemerkt Åhlén.
Sie betrachten die tote Frau. Ihr Körper ist von großen und kleinen Wunden bedeckt.
»Außerdem ist sie im Gegensatz zu den beiden anderen weder verstümmelt noch zerstückelt worden«, fährt er fort. »Die eigentliche Todesursache sind nicht die Wunden am Hals, sondern dieser Stich hier, der laut Computertomographie direkt ins Herz gegangen ist.«
»Aber es ist nicht ganz einfach, die Blutungen auf den Aufnahmen zu erkennen«, erläutert Frippe.
»Wir überprüfen das natürlich noch einmal, wenn wir sie aufmachen«, sagt Åhlén an Joona gewandt.
»Sie hat sich gewehrt«, sagt Joona.
»Angesichts der Wunden an ihren Handflächen gehe ich davon aus, dass sie sich zunächst aktiv gewehrt hat«, erwidert der Rechtsmediziner, »dann aber versuchte, zu entkommen und sich zu schützen.«
Der junge Arzt wirft Åhlén einen Blick zu.
»Schau dir die Verletzungen an den Streckseiten der Arme an«, sagt dieser.
»Abwehrverletzungen«, murmelt Joona.
»Exakt.«
Joona lehnt sich vor und betrachtet die braungelben Flecken, die man in den offenen Augen der Frau erkennt.
»Du siehst dir die Sonnen an?«
»Ja …«
»Sie tauchen erst einige Stunden nach dem Tod auf, manchmal dauert es sogar Tage«, doziert Åhlén. »Mit der Zeit werden sie ganz schwarz. Sie entstehen, weil der Druck im Auge sinkt.«
Er nimmt einen Reflexhammer von einem Regalbrett und lässt Frippe kontrollieren, ob der idiomuskuläre Wulst noch da ist. Der junge Arzt klopft mitten auf den Bizeps der Frau und tastet mit den Fingern die Muskeln nach Kontraktionen ab.
»Nur noch minimal«, sagt er zu Joona.
»Nach dreizehn Stunden hören sie in der Regel auf«, erläutert Åhlén.
»Die Toten sind nicht völlig tot«, sagt Joona und schaudert, als er eine geisterhafte Bewegung in Katja Eks schlaffem Arm erahnt.
» Mortui vivos docent – die Toten lehren die Lebenden«, erwidert Åhlén und lächelt in sich hinein, als er und Frippe die Frau auf den Bauch drehen.
Er zeigt auf die verwischten rotbraunen
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