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Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören

Titel: Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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überzeugt. Es war der Wunsch seiner Mutter gewesen, dass er Erik Maria getauft wurde. Den ungewöhnlichen Namen hatte er einer Sprachreise nach Wien zu verdanken, wo seine Mutter ins Burgtheater gegangen und Strindbergs Der Vater mit Klaus Maria Brandauer in der Hauptrolle gesehen hatte. Die Vorstellung hatte sie so beeindruckt, dass ihr der Name des Schauspielers nicht mehr aus dem Sinn ging. Als Kind hatte Erik stets versucht, seinen zweiten Vornamen zu verschweigen, und in der Pubertät identifizierte er sich mit dem Lied A Boy Named Sue auf einer Platte Johnny Cashs, die im St. Quentin-Gefängnis aufgenommen worden war. »Some gal would giggle and I’d get red, and some guy ’d laugh and I’d bust bis head,
I tellya, life ain’t easy for a boy named Sue.«
    Eriks Vater, der bei der Sozialversicherungskasse arbeitete, hatte sich Zeit seines Lebens eigentlich immer nur für eins interessiert. Sein Hobby war das Zaubern gewesen, und er verkleidete sich regelmäßig mit einem selbst genähten Umhang, einem gebrauchten Frack und einer Art zusammenklappbaren Zylinder auf dem Kopf, den er seinen Chapeau claque nannte. Erik und seine Freunde mussten auf Holzstühlen in der Garage Platz nehmen, wo er eine kleine Bühne mit geheimen Fallluken gebaut hatte. Die meisten seiner Tricks hatte er im Katalog von Bernandos magic in Bromölla gefunden: Zauberstäbe, die raschelten und aufklappten, Bälle, die in Metalltassen verschwanden und wieder auftauchten, ein Kescher aus Samt mit einem Geheimfach und die blitzblanke Handguillotine. Mittlerweile denkt Erik belustigt und zärtlich an seinen Vater zurück, der mit dem Fuß das Tonbandgerät mit der Musik Jean Michel Jarres einschaltete, während er magische Bewegungen über einem schwebenden Totenschädel vollführte. Erik hofft von ganzem Herzen, dass sein Vater nie gemerkt hat, wie sehr er sich schämte, als er älter wurde und hinter dem Rücken des Vaters zu seinen Freunden gewandt die Augen verdrehte.
    Es gab wohl keine tieferen Gründe dafür, warum Erik Arzt wurde. Er hatte sich im Grunde nie einen anderen Beruf gewünscht, sich nie ein anderes Leben vorgestellt. Er entsinnt sich all der verregneten letzten Schultage, der gehissten Flagge und der Sommerlieder. Er hatte immer die besten Noten in allen Fächern, seine Eltern verließen sich darauf. Seine Mutter sprach oft darüber, dass die Schweden, die ihren Wohlfahrtsstaat so selbstverständlich nahmen, verwöhnt waren, obwohl er aller Wahrscheinlichkeit nach nur eine kurze historische Episode bleiben würde. Sie glaubte, dass das schwedische System mit kostenloser ärztlicher und zahnärztlicher Versorgung, kostenloser Kinderbetreuung und Schullaufbahn, kostenlosen Universitäten jederzeit verschwinden konnte. Aber jetzt gab es für ganz gewöhnliche Jungen oder Mädchen die Chance, zu studieren und an allen Universitäten des Landes Arzt, Architekt oder Doktor der Volkswirtschaft zu werden, ohne vermögend zu sein oder Stipendien zu bekommen.
    Das Gefühl, diese Chancen zu erkennen, war ein Privileg, das ihn wie ein goldener Schimmer umschloss. Es schenkte ihm als jungem Mann einen Vorsprung und eine Zielstrebigkeit, mög­licherweise jedoch auch einen gewissen Hochmut.
    Er weiß noch, wie es war, als Achtzehnjähriger in Sollentuna auf der Couch zu sitzen, seine glänzenden Noten anzustarren und anschließend den Blick durch das schlicht möblierte Zimmer schweifen zu lassen. Die Bücherregale mit den Schmuckgegenständen und Souvenirs, die Fotos in ihren Rahmen aus Neusilber, Bilder von seiner Konfirmation und der Hochzeit und dem fünfzigsten Geburtstag der Eltern, gefolgt von etwa zehn Bildern ihres einzigen Sohns, vom pummeligen Baby im Spitzenkleid bis zum grinsenden Jüngling im Röhrenanzug.
    Seine Mutter trat ins Zimmer und gab ihm die Bewerbungsformulare für das Medizinstudium. Sie behielt wie immer Recht. Als er im Karolinska-Institut sein Studium begann, fühlte er sich sofort wie zu Hause. Als er sich im Fachbereich Psychiatrie spezialisierte, erkannte er, dass der Beruf des Arztes besser zu ihm passte, als er zugeben wollte. Nach dem achtzehnmonatigen Dienst in verschiedenen Fachbereichen, der verlangt wurde, bevor die Sozialbehörde einem die Approbation erteilte, hatte er für Ärzte ohne Grenzen gearbeitet. Es hatte ihn nach Kismaayo südlich von Mogadischu in Somalia verschlagen. Es war eine sehr intensive Zeit in einem Feldlazarett gewesen, dessen Ausrüstung aus ausgemustertem schwedischen

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