Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
Dollars in die Tasche. Jetzt war er ein Leben lang der ihre – oder wenigstens die nächsten fünf Stunden. Sie ging die kunstvoll geschwungene Treppe hinunter und durchquerte die riesige Halle. Ein zweiter Posten öffnete ihr, sich unterwürfig vor ihr verneigend, die geschnitzte Haustür. Sie trat auf die belebte Straße, wo arabische Gewänder und dunkle Straßenanzüge eilig in alle Windrichtungen strebten, und hielt Ausschau nach einer Telefonzelle. Sie entdeckte eine an der Ecke und lief darauf zu.
»Dieses Gespräch wird entgegengenommen, das versichere ich Ihnen«, sagte Kalaila zu der Telefonistin, der sie die für äußerste Notfälle reservierte Nummer genannt hatte.
»Ja?« meldete sich die fünftausend Meilen weit entfernte Stimme schroff.
»Mein Name ist Kalaila. Ich glaube, Sie sind der, mit dem ich mich in Verbindung setzen sollte.«
»Derbin ich allerdings. Die Telefonistin sagte Bahrein. Bestätigen Sie?«
»Ja. Er ist hier. Ich war ein paar Stunden mit ihm zusammen.«
»Was hat er vor?«
»Zwischen halb zwölf und Mitternacht kommt es zu einem Treffen bei der Dschuma-Moschee. Ich sollte auch dort sein, Sir. Er ist nicht dafür gerüstet, er wird nie und nimmer damit fertig.«
»Nicht daran zu denken, meine Dame.«
»Er benimmt sich wie ein Kind, wenn es sich um diese Leute handelt. Ich kann helfen.«
»Sie können auch uns hineinziehen, und das kommt nicht in Frage, das wissen Sie genausogut wie ich. Hauen Sie ab. Auf der Stelle!«
»Ich dachte mir, daß Sie das sagen würden – Sir. Aber dürfte ich erklären, was sich meiner Meinung nach sehr negativ auf die gesamte Operation auswirken könnte?«
»Ich habe keine Lust, mir Ihren hochgestochenen Scheiß anzuhören! Hauen Sie ab!«
Kalaila zuckte erschrocken zusammen, als Frank Swann in Washington den Hörer auf die Gabel schmetterte.
»Ich kenne beide Häuser, das Aradus und das Tylos «, sagte Emmanuel Weingrass auf dem Flugplatz in Muharrak ins Telefon. »T. Faruk und Strickland – gütiger Gott, ich kann’s nicht
glauben! Die durstige Narzisse aus Kairo!... Oh, tut mir leid, das hab’ ich vergessen. Ich meine natürlich den französischen Flieder aus Algier. Sprich weiter.« Weingrass notierte sich die Information aus Maskat, die ihm ein junger Mann gab, vor dem er allmählich gewaltigen Respekt bekam. Er kannte Männer, die doppelt so alt waren wie Achmad und dreimal soviel Erfahrung hatten, aber unter dem Streß, dem der junge Sultan von Oman ausgesetzt war, kläglich zusammengebrochen wären. »Okay, ich habe alles... He, du bist mir vielleicht ein Kerl! Hast dich tatsächlich zu einem richtigen Menschen entwickelt. Doch wahrscheinlich hast du sowieso alles von mir gelernt.«
»Ich habe eines von dir gelernt, Manny, eine sehr wichtige Wahrheit: den Dingen ins Gesicht zu sehen, wie sie sind, nichts zu beschönigen und keine Ausreden zu erfinden. Ob zum Vergnügen oder im Schmerz, hast du gesagt. Du hast mir gesagt, ein Mensch könne damit leben, versagt zu haben, nicht aber mit den Ausreden, die ihm das Recht genommen haben, auch einmal zu versagen. Ich habe lange gebraucht, ehe ich das verstanden habe.«
»Das freut mich – freut mich sehr, Junge. Gib es an das Kind weiter, das ihr – wie ich gelesen habe – erwartet. Nenn es den › Weingrass-Nachtrag zu den zehn Geboten‹.«
»Aber Manny...«
»Ja?«
»Bitte trag in Bahrein keine deiner gelb oder rot getupften Fliegen. Du fällst dadurch zu sehr auf, verstehst du?«
»Bist du jetzt mein Schneider?... Ich melde mich wieder, Mensch. Wünsch uns allen eine gute Jagd.«
»Das tu’ ich, mein Freund. Aber vor allem wünsche ich mir, ich könnte bei euch sein.«
»Das weiß ich. Ich wäre nicht hier, wenn ich das nicht wüßte- und unser Freund es nicht wüßte.« Weingrass legte auf und drehte sich zu den sechs Männern hinter ihm um. Sie hockten auf Tischen und Stühlen, ließen ihn nicht aus den Augen und hörten ihm aufmerksam zu. »Wir teilen uns auf«, sagte er. »Ben-Ami und Grau kommen mit mir ins Tylos. Sie, Blau, gehen mit den anderen ins Aradus ...« Er unterbrach sich, von einem Hustenanfall geschüttelt. Ben-Ami und die Männer von der Masada-Brigade sahen sich an; keiner rührte sich, denn sie wußten, daß Weingrass Hilfe schroff zurückweisen würde.
Eines jedoch war allen klar: Sie hatten einen Sterbenden vor sich.
»Wasser?« fragte Ben-Ami.
»Nein«, antwortete Weingrass kurz, als der Anfall nachließ. »Verdammter Bronchialkatarrh,
Weitere Kostenlose Bücher