Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
aber gegeben, Herr Senator.«
»Ich bin nicht Senator, nur Kongreßabgeordneter. Aber ich danke Ihnen.«
»Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind, Abgeordneter Sowieso? Wagen es, einen anständigen, aufrechten Amerikaner wie Oberst Barrish anzugreifen! Sie beschissener linker Schwuli!«
»Kaufen Sie mir eine Flasche Parfüm ab? Der Oberst hat eine genommen.«
»Widerwärtig!«
»Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, Herr Abgeordneter, weil Sie aussprechen, was so viele von uns denken.«
»Warum sagt ihr es dann nicht?«
»Ich weiß nicht recht. Egal wohin man sich wendet, man kriegt überall nur zu hören, daß man zäh und mutig bleiben soll. Wo ich aufgewachsen bin, wird man das ganz automatisch. Man wird zäh und mutig – und hat auch verdammt viel Angst. Man möchte am Leben bleiben. Doch jetzt ist alles anders. Es ist kein Kampf Mann gegen Mann, und es ist auch kein Kampf der Waffen und kein Luft- oder Seekampf. Es sind Apparate, die
durch die Luft fliegen und große Löcher in die Erde reißen. Man kann nicht auf sie zielen, man kann sie nicht aufhalten. Man kann nur warten.«
»Ich wünschte, Sie wären bei der Anhörung gewesen. Sie haben das eben viel besser gesagt, als ich es trotz meiner viel günstigeren Voraussetzungen je hätte ausdrücken können.«
Er wollte wirklich nicht mehr reden; er war leergeredet, und die Leute, die ihn ansprachen, hinderten ihn daran, die Ruhe und Abgeschiedenheit zu finden, die erbrauchte. Er mußte nachdenken, mit sich selbst ins reine kommen, entscheiden, was er tun wollte, und er mußte es schnell tun, wenn vielleicht auch nur, um die Entscheidung hinter sich zu bringen. Er hatte die Berufung in den Partridge-Ausschuß aus einem bestimmten Grund angenommen: Er wollte in seinem Wahlbezirk mitbestimmen, wer bei der nächsten Wahl kandidieren sollte, um eventuell sein Nachfolger zu werden, und sein Assistent Phil Tobias hatte ihn überzeugt, daß seine Zugehörigkeit zum Partridge-Ausschuß ihm eine gewichtige Stimme sichern werde. Doch jetzt überlegte Kendrick, ob es ihn überhaupt einen Pfifferling interessierte, wer sein Nachfolger wurde.
Er mußte sich eingestehen, daß er bis zu einem gewissen Grad daran interessiert war, aber nicht wegen irgendeines territorialen Anspruchs. Er hatte eine kleine politische Arena betreten, ein zorniger Mann mit weit offenen Augen. Konnte er den Laden jetzt einfach schließen und sich davonmachen, weil die Publicity ihn irritierte, die ohnehin nicht lange dauern würde? Er trug zwar kein Moralabzeichen am Revers, doch er fand es widerwärtig, wenn jemand sich einer Verpflichtung entzog, weil sie ihm lästig wurde. Andererseits hatte er die Halunken hinausgeworfen, die den neunten Wahlbezirk von Colorado ausgeplündert hatten. Er hatte erreicht, was er erreichen wollte. Konnten seine Wähler mehr von ihm verlangen? Er hatte sie aufgeweckt; zumindest glaubte er, daß er es bei dem Versuch, sie zu wecken, weder an Worten noch an Geld hatte fehlen lassen.
Nachdenken. Er mußte wirklich nachdenken. Den Besitz in Colorado würde er bestimmt noch einige Zeit behalten, wenn er auch noch nicht wußte, wie lange. Er war jetzt einundvierzig; in neunzehn Jahren war er sechzig. Was, zum Teufel, machte das schon aus... Aber es machte etwas aus. Er wollte nach Vorderasien
zurück, zu seiner Arbeit und den Menschen, mit denen er am besten zusammenarbeiten konnte, doch wie Manny wollte er nicht seine letzten Jahre – oder, wenn er Glück hatte, ein oder zwei Jahrzehnte – in der gleichen Umgebung verleben... Manny. Emmanuel Weingrass, Genie, die Brillanz in Person, Autokrat, Renegat, absolut unmögliches menschliches Wesen – doch der einzige Vater, den er je gekannt hatte. Seinen eigenen Vater hatte er nie kennengelernt, er war gestorben, als er in Neapel eine Brücke baute, und hatte eine Witwe hinterlassen, die behauptete, daß sie, obwohl seit dem Zweiten Weltkrieg mit einem zum Zeitpunkt der Eheschließung unverschämt jungen Hauptmann des amerikanischen Pionierkorps verheiratet, seltener in den Genuß ehelicher Freuden gekommen war als Katharina von Aragonien.
»He!« rief ein rundlicher Mann, der eben unter dem kleinen, mit einer Markise geschützten Eingang einer Bar auf der Sixteenth Street aufgetaucht war. »Sie hab’ ich grade gesehen. Sie waren im Fernsehen, haben auf einem Schreibtisch gesessen. In dem Sender, der den ganzen Tag nichts anderes als Nachrichten bringt. Langweilig! Ich weiß nicht, was Sie gesagt
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