Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
weigert sich jedoch, Fragen zu beantworten. Er geht einfach. Zu seinen Gunsten muß gesagt werden, daß er abstreitet, sich in Szene setzen zu wollen, weil er offenbar noch nicht genau weiß, ob er überhaupt in Washington bleiben will. Dennoch war seine Erklärung, gelinde gesagt, provokativ.«
Das Videoband wurde abgeschaltet, und auf dem Bildschirm erschien live das Gesicht einer Moderatorin. »Wir schalten jetzt ins Verteidigungsministerium, wo ein für die strategische Abschreckung zuständiger Unterstaatssekretär eine Erklärung vorbereitet hat. Übernehmen Sie, Steve.«
Ein anderes Gesicht erschien auf der Mattscheibe; es war das eines dunkelhaarigen Reporters, der mehr Zähne zu haben schien als der Durchschnitt der Menschheit. »Unterstaatssekretär Jasper Hefflefinger, der stets zur Stelle ist, wenn jemand das Pentagon angreift, ist in die Bresche gesprungen, die der Kongreßabgeordnete – wie heißt er noch? – Henry aus Wyoming – was? – aus Colorado geschlagen hat. Meine Damen und Herren – Unterstaatssekretär Hefflefinger.«
Ein neues Gesicht mit viel zu vollen Wangen, aber trotzdem gutaussehend, ein kraftvolles Gesicht mit einem silbernen Haarschopf über der hohen Stirn; ein Gesicht, das man nicht übersehen
konnte. Und ein Mann mit einer Stimme, um die ihn die meisten prominenten Rundfunkansager der späten dreißiger und vierziger Jahre beneidet hätten. »Ich erkläre dem Herrn Abgeordneten jetzt und hier, daß wir seine Kommentare begrüßen. Wir wollen das gleiche wie Sie, Sir. Wir wollen eine Katastrophe vermeiden, wollen dem Frieden und der Freiheit dienen...«
Das Arschloch redete und redete, sagte alles und gleichzeitig nichts, kam jedoch mit keinem Wort auf die Eskalation und die Eindämmungspolitik zu sprechen.
Warum ich? fragte sich Kendrick wütend. Warum ich? Zum Teufel damit! Mit allem! Er schaltete den Fernseher aus, griff nach dem Telefon und wählte Colorado an. »Hallo, Manny«, sagte er, nachdem Weingrass sich gemeldet hatte.
»Junge, du bist einfach phantastisch!« schrie der alte Mann ins Telefon. »Hab’ ich dich also doch richtig erzogen!«
»Laß gut sein, Manny, ich möchte nur noch raus hier.«
»Du willst was? Hast du dich im Fernsehen gesehen?«
»Deshalb möchte ich ja raus. Vergiß das verglaste Dampfbad und den Pavillon am Fluß. Die bauen wir später. Machen wir uns beide auf in die Emirate – selbstverständlich über Paris -, vielleicht sogar ein paar Monate in Paris, wenn du willst. Okay?«
»Gar nix is’ okay, du Komiker! Du hast was zu sagen, also sag es! Ich hab’ dir beigebracht – ob uns das einen Auftrag gekostet hat oder nicht -, daß du sagen mußt, was du für richtig hältst... Schön, schön, wir haben ab und zu ein bißchen gemauschelt, aber wir haben gute Arbeit geleistet. Und wir haben nie etwas berechnet, wenn wir nicht rechtzeitig fertig waren, selbst wenn wir etwas aus eigener Tasche bezahlen mußten.«
»Manny, das hat nichts mit dem zu tun, was hier los ist...«
»Es hat alles damit zu tun. Du baust etwas... Und da ich vom Bauen rede – rate mal, mein kleiner Goi...«
»Was denn?«
»Ich habe mit dem Dampfbad auf der Terrasse schon angefangen und die Pläne für den Pavillon an der Flußmündung eingereicht. Niemand kann Emmanuel Weingrass stoppen, ehe seine Entwürfe nicht zu seiner uneingeschränkten Zufriedenheit ausgeführt sind.«
»Du bist unmöglich, Manny!«
»Das kommt mir irgendwie bekannt vor.«
Milos Varak ging im Rock-Green-Park einen Kiesweg entlang zu einer Bank mit Blick auf eine Schlucht, durch die tief unten ein Seitenarm des Potomac rauschte. Es war ein entlegenes, friedliches Plätzchen, weit weg von den asphaltierten Wegen über der Schlucht. Wie erwartet, saß der Vorsitzende des Repräsentantenhauses schon auf der Bank, das dichte weiße Haar unter einer tief in die Stirn gezogenen karierten Sportmütze verborgen, die lange, erschreckend magere Gestalt in einen Regenmantel gehüllt, der in der feuchten Schwüle eines Augustnachmittags in Washington völlig überflüssig war. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses wollte nicht erkannt werden.
»Mr. Speaker«, sagte Varak, als er die Bank erreicht hatte. »Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Sir.«
»Und Sie sind doch ein Ausländer, Sie Halunke!« Das hagere Gesicht mit den dunklen Augen und den gewölbten weißen Brauen verriet Zorn, aber auch Unsicherheit, fast Ängstlichkeit, und das schien den Mann anzuwidern. »Wenn Sie der
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