Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
Laufbursche irgendeines gottverdammten Kommunisten sind, können Sie sofort wieder verschwinden, Ivan. Ich kandidiere für die nächste Wahlperiode nicht mehr. Ich bin weg vom Fenster, am Ende, erledigt im nächsten Januar, und was vor dreißig oder vierzig Jahren passiert ist, ist mir scheißegal. Haben Sie verstanden, Boris?«
»Sie haben eine ungewöhnliche Karriere hinter sich und waren in Ihrem Land-das jetzt auch das meine ist-eine positive Macht, Sir. Und daß ich während der zehn Jahre gegen die Russen und die Agenten aus den Ostblockstaaten gekämpft habe, wissen ziemlich viele Leute in der Regierung.«
Der Politiker mit den Augen, die grau und hart wie Granit waren, musterte Varak forschend. »Sie hätten weder die Courage noch wären Sie dumm genug, mir das zu sagen, wenn es nicht stimmte«, erwiderte er mit dem harten Akzent eines Mannes aus dem Norden Neuenglands.
»Trotzdem – Sie haben mir gedroht.«
»Nur um Ihre Aufmerksamkeit zu erregen, Sie davon zu überzeugen, daß wir uns treffen müssen. Darf ich mich setzen?«
»Sitz«, sagte der Politiker, als gebe er einem Hund einen Befehl und erwarte, daß er befolgt werde. Varak nahm Platz, ließ aber viel Raum zwischen sich und dem anderen.
»Was wissen Sie über bestimmte Ereignisse, die sich irgendwann
in den fünfziger Jahren zugetragen haben – oder auch nicht zugetragen haben?« fragte der Politiker.
»Ich spreche, um genau zu sein, vom siebzehnten März neunzehnhunderteinundfünfzig«, antwortete Varak. »An diesem Tag wurde in Belfast, im Krankenhaus Lady of Mercy, ein Junge geboren. Die Mutter war eine junge Frau, die ein paar Jahre vorher nach Amerika emigriert war. Nach Irland war sie aus einem sehr traurigen Anlaß zurückgekehrt. Ihr Mann war gestorben, und in ihrem Leid wollte sie ihr Kind zu Hause, bei ihrer Familie, zur Welt bringen.«
»Und?« sagte der Vorsitzende des Repräsentantenhauses.
»Ich denke, das wissen Sie, Sir. Es hatte hier drüben keinen Ehemann gegeben, nur einen Mann, der sie sehr geliebt haben muß. Einen aufstrebenden jungen Politiker, der in der Falle einer unglücklichen Ehe saß, aus der er sich nicht befreien konnte, weil die Kirche es verbot und seine Wähler sich den Kirchengesetzen blind unterwarfen. Jahrelang schickte der Mann, der auch Anwalt war, der jungen Frau Geld und besuchte sie und das Kind in Irland, sooft er konnte – als Onkel aus Amerika, natürlich...«
»Sie können beweisen, wer diese Leute waren?« fiel der Politiker Varak schroff ins Wort. »Ich meine weder Klatsch noch Hörensagen noch sogenannte Augenzeugen, sondern einen schriftlichen Beweis.«
»Den habe ich.«
»Und wie sieht er aus?«
»Es hat einen Briefwechsel gegeben...«
»Lügner!« fuhr der über Siebzigjährige den Mann von Inver Brass an. »Sie hat vor ihrem Tod alle Briefe verbrannt.«
»Ja, alle bis auf einen«, entgegnete Varak leise. »Ich nehme an, daß sie die Absicht hatte, auch ihn zu vernichten, aber der Tod hat sie überrascht. Ihr Mann fand den Brief zuunterst in der Schublade ihres Nachttischs. Er weiß natürlich nicht, wer E ist, und es interessiert ihn auch nicht. Er ist nur dankbar dafür, daß seine Frau Ihr Angebot ausgeschlagen hat und zwanzig Jahre bei ihm geblieben ist.«
Der alte Mann wandte sich ab und unterdrückte die Tränen, die ihm in die Augen stiegen. »Meine Frau hatte mich damals verlassen«, sagte er kaum hörbar. »Meine Tochter und mein Sohn haben das College besucht, und es gab keinen Grund
mehr, die widerwärtige Täuschung aufrechtzuerhalten. Vieles hatte sich verändert, Ansichten hatten sich verändert, und ich saß so fest im Sattel wie ein Kennedy in Boston. Selbst die Fatzken in der Erzdiözese hielten den Mund – natürlich erst nachdem ich den scheinheiligen Kerlen zu verstehen gegeben hatte, daß ichfalls sich die Kirche in den Wahlkampf einmischen sollte – die schwarzen Radikalen und die Juden aufhetzen würde, im Repräsentantenhaus Krach zu schlagen und ihre >heilige< Kuh, die Steuerbefreiung, ein bißchen zu melken. Der Bischof kriegte fast einen Schlaganfall und beschwor Tod und Teufel auf mich herab, aber ich habe ihm den Mund gestopft, indem ich ihm erklärte, wahrscheinlich habe meine durchgebrannte Ehefrau auch mit ihm geschlafen.«
Der weißhaarige Mann mit dem faltigen Gesicht verstummte. »Heilige Mutter Gottes!« stieß er dann hervor. »Ich wollte das Mädchen wiederhaben!«
»Damit meinen Sie aber nicht Ihre Frau, nicht wahr?«
»Sie wissen
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