Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
kann nicht Ihr Ernst sein!«
»Flucht. Achmad muß eine Flucht arrangieren.«
»Was? Sie sind wirklich verrückt.«
»Noch nie war ich vernünftiger, und nie war mir etwas ernster. Suchen Sie zwei oder drei Ihrer besten Leute aus – Männer, denen Sie rückhaltlos vertrauen, und veranlassen Sie eine Überführung...«
»Eine Überführung?«
Kendrick schüttelte den Kopf und blinzelte, denn die Schwellungen an den Augen machten sich, wenn sie auch zurückgegangen waren, noch immer unangenehm bemerkbar. Er suchte nach den richtigen Worten, um dem erstaunten Doktor seinen Plan zu erklären. »Ich will so sagen: Jemand hat beschlossen, ein paar Gefangene in ein anderes Gefängnis zu verlegen.«
»Wer sollte das tun? Und warum?«
»Niemand. Es wird einfach getan, ohne Erklärung. Haben Sie Fotos von den Häftlingen?«
»Selbstverständlich. Das ist Routine bei der Verhaftung, obwohl die Namen bedeutungslos sind. Wenn man uns überhaupt einen nennt, ist er bestimmt falsch.«
»Besorgen Sie mir eine Liste. Von allen. Ich werde Ihnen sagen, wen Sie aussuchen sollen.«
»Aussuchen? Wofür?«
»Für die Verlegung. Diejenigen, die an einen anderen Ort gebracht werden sollen.«
»Aber wohin denn? Was Sie da sagen, hat wirklich weder Sinn noch Verstand.«
»Sie hören mir nicht zu. Irgendwo unterwegs, in einer Seitengasse
oder auf einer dunklen Landstraße vor der Stadt, werden wir die Wachen überwältigen und fliehen.«
»Überwältigen... Wir?«
»Ich gehöre auch zu der Gruppe, bin bei der Flucht mit von der Partie. Ich gehe ins Gefängnis zurück.«
»Das ist Wahnsinn!« rief Faisal.
»Das ist Vernunft und klare Überlegung«, entgegnete Kendrick. »Im Gefängnis ist ein Mann, der mich dahin bringen kann, wohin ich will. Uns dahin bringen kann, wohin wir wollen. Besorgen Sie mir die Polizeifotos, und dann rufen Sie Achmad unter der Nummer mit den drei Fünfen an. Sagen Sie ihm, was ich Ihnen gesagt habe, er wird verstehen. Verstehen? Zum Teufel! Genau das hatte doch dieser Student von Anfang an im Kopf.«
»Aber Sie genauso, denke ich, ya schaikh amrikáni. «
»Vielleicht. Vielleicht will ich nur die Verantwortung auf jemand anders abschieben. Ich passe nicht in diese Schablone.«
»Dann treibt Sie innerlich etwas an, und der Mann, der Sie früher waren, nimmt wieder Gestalt an. So etwas gibt es.«
Kendrick sah Faisal in die weichen braunen Augen. »So etwas gibt es«, stimmte er zu. Plötzlich tauchte vor seinem geistigen Auge eine dunkle Silhouette auf. Ein Mann floh vor den Flammen einer irdischen Hölle. Rauchwirbel hüllten die gespenstische Gestalt ein, während um sie herum stürzende Steine mit ihrem Gepolter die Schreie der Opfer erstickten. Der Mahdi. Der Mörder von Frauen und Kindern, von Freunden, die er geliebt hatte, seinen Partnern, die die gleiche Vision gehabt hatten wie er – seine Familie, die einzige Familie, die er sich je gewünscht hatte. Alle dahin, alle tot; untergegangen die Vision im Inferno, verschwunden mit den aufsteigenden Rauchschwaden, bis nichts mehr übriggeblieben war als Kälte und Finsternis. Der Mahdi! »So was gibt es«, wiederholte Kendrick und rieb sich die Stirn. »Besorgen Sie mir die Fotos, und rufen Sie Achmad an. Ich möchte in zwanzig Minuten wieder im Gefängnis sein und zehn Minuten später weggebracht werden. Bewegung, um Himmels willen, Bewegung, Mann!«
Achmad, Sultan von Oman, noch immer in Sporthose und dem T-Shirt der New England Patriots, saß in seinem hochlehnigen
Sessel, und im rechten hinteren Bein seines Schreibtischs blinkte das rote Lämpchen des privaten Sicherheitstelefons. Den Hörer am Ohr, lauschte er aufmerksam.
»Es ist also geschehen, Faisal«, sagte er leise. »Gepriesen sei Allah, es ist geschehen.«
»Er hat mir gesagt, Sie hätten es nicht anders erwartet«, sagte der Doktor in fragendem Ton.
»Erwartet ist zuviel gesagt, alter Freund. Gehofft ist zutreffender.«
»Ich habe Ihnen die Mandeln herausgenommen, großer Sultan, und habe Sie im Lauf der Jahre ein paarmal bei leichten Erkrankungen behandelt. Einmal war mit einer dieser Krankheiten auch eine große Angst verbunden, die sich zum Glück als unbegründet erwies.«
Achmad lachte mehr in sich selbst hinein als ins Telefon. »Eine wilde Woche in Los Angeles, Amal. Da hätte ich mir einiges holen können.«
»Wir hatten einen Pakt geschlossen. Ich habe nie etwas Ihrem Vater erzählt.«
»Womit Sie sagen wollen, daß ich Ihnen jetzt etwas verschweige.«
»Ich
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