Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
muß zugeben, der Gedanke ist mir gekommen.«
»Nun gut, alter Freund...« Plötzlich hob der Sultan ruckartig den Kopf. Die Tür seines Arbeitszimmers wurde geöffnet, und zwei Frauen traten ein. Die erste war unverkennbar schwanger, eine Weiße, blond und nur mit einem Bademantel bekleidet. Seine Frau, die, wie er Kendrick erzählt hatte, aus New Bedford, Massachusetts, stammte. Ihr folgte eine dunkelhaarige Frau mit olivfarbener Haut. Sie trug modische Straßenkleidung. Im Haushalt des Sultans nannte man sie einfach nur Kalaila. »Außer einem gesunden Menschenverstand, lieber Doktor«, setzte Achmad sein Telefongespräch fort, »verfüge ich über gewisse Quellen. Unser gemeinsamer Bekannter brauchte Unterstützung, und wer könnte da besser helfen als der Herrscher von Oman? Wir haben zu den Bestien in der Botschaft Informationen durchsickern lassen. Irgendwo würden Häftlinge in Einzelhaft gehalten und mit brutalsten Methoden verhört. Sie mußten ganz einfach jemand schicken, der Disziplin und Ordnung aufrechterhielt – und Kendrick hat ihn gefunden. Geben Sie unserem Amerikaner alles, was er will, aber zögern Sie seinen Zeitplan
fünfzehn oder zwanzig Minuten hinaus, bis meine beiden Polizeibeamten eintreffen.«
»Die beiden von Wadi Al Kabir? Ihre Cousins?«
»Zwei Spezialbeamte – das genügt, mein Freund.«
Es folgte eine kurze Pause, Faisal suchte ganz offensichtlich nach Worten. »Die Gerüchte stimmen, nicht wahr, Achmad?«
»Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen. Gerüchte sind Klatsch, und beides interessiert mich nicht. Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf. Halten Sie mich nur auf dem laufenden.« Achmad griff in die Schublade, in der der Telefonapparat stand, und drückte eine Reihe von Zahlen. Als die Verbindung hergestellt war, sagte er: »Tut mir leid, meine lieben Verwandten, ich weiß, ihr schlaft längst, aber ich muß euch noch einmal behelligen. Amal Bahrudi will fliehen. Mit dem Fisch.« Er legte auf.
»Was ist passiert?« fragte Achmads Frau und kam auf den Schreibtisch zu.
»Bitte«, sagte Achmad mit einem Blick auf ihren Leib, »es sind jetzt nur noch sechs Wochen, Bobbie. Geh langsam!«
»Also das reicht«, sagte Roberta Aldridge Jamenni, sich an Kalaila wendend, die an ihrer Seite geblieben war. »Da will mich dieser Mann doch tatsächlich belehren, wie ich mich während der Schwangerschaft zu verhalten habe. Das ist doch die Höhe, oder?«
»Der königliche Same, Bobbie«, erwiderte Kalaila lächelnd.
»Königlich! Was für ein Quatsch! Windeln sind verdammte Gleichmacher. Fragt meine Mutter, sie bekam uns vier innerhalb von sechs Jahren... Jetzt mal ernsthaft, Liebling, was ist passiert?«
»Unser amerikanischer Abgeordneter hat im Gefängnis Kontakt aufgenommen. Wir täuschen eine Flucht vor.«
»Es hat funktioniert!« rief Kalaila.
»Es war deine Idee«, sagte Achmad.
»Vergiß das bitte. Da bin ich weit vom Kurs abgewichen.«
»Nichts weicht weit vom Kurs ab«, antwortete der junge Sultan energisch. »Ohne Ansehen der Person und ungeachtet aller Risiken brauchen wir jede Hilfe, die man uns anbietet, jeden Rat, den wir bekommen können. Ich muß mich entschuldigen, Kalaila, ich habe nicht einmal guten Tag gesagt. Tut mir leid, dich um diese Zeit aus dem Bett zu holen, doch ich wußte, daß du jetzt sehr gern hier wärst.«
»An keinem anderen Ort der Welt wäre ich lieber.«
»Wie hast du es fertiggebracht, das Hotel um vier Uhr morgens zu verlassen?«
»Dank Bobbie. Ich muß jedoch hinzufügen, daß es unserem Ruf nicht gerade förderlich war.«
»Oh?« Der Sultan sah seine Frau an.
»Guter Herr«, begann Bobbie mit ihrem Bostoner Akzent und verneigte sich mit vor der Brust gefalteten Händen. »Diese reizende Dame ist eine Kurtisane aus Kairo – das klingt hübsch, nicht wahr? Unter den gegebenen Umständen...« An dieser Stelle legte die königliche Gemahlin beide Hände auf ihren schwellenden Leib und fuhr fort: »Ein privilegierter Rang hat sein Gutes. Wie man uns in Radcliffe lehrte – meine ehemalige Zimmergenossin hier wird es dir bestätigen -, hat Heinrich VIII. dieses Verfahren ›im Sattel reiten‹ genannt. Es begab sich, als Anna Boleyn zu indisponiert war, ihrem König zu Diensten zu sein.«
»Um Himmels willen, Roberta, wir spielen hier nicht Anna und der König von Siam , und ich bin nicht Yul Brynner.«
»Jetzt bist du’s, Freund.« Lachend sah Achmads Frau Kalaila an. »Natürlich kratze ich dir die Augen aus, wenn du ihm auch
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