Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
unterscheidet sich sein Motiv nicht wesentlich von dem Ihren. Er will ein schweres Unrecht rächen, das ihm – oder vielmehr seiner Familie angetan wurde.««
»Zum Teufel mitihm! Das war eine Familie, kein Volk. Ich sage, wir gehen in die Botschaft.«
»Ich sage, ihr geht nicht«, widersprach der Mossad-Agent und legte langsam seine Pistole auf den Tisch. »Ihr untersteht jetzt dem Befehl der Mossad und werdet tun, was wir sagen.«
»Schweine!« schrie Yakov. »Ihr seid Schweine – ihr alle!«
»O ja«, sagte Ben-Ami, »wenn überhaupt, dann wir alle.«
Zehn Uhr achtundvierzig in Oman. Die Pressekonferenz war zu Ende. Reporter steckten ihre Notizbücher weg, und Fernsehteams verstauten ihre Geräte, bereit, durch ein Spalier von etwa hundert jungen Männern und verschleierten Frauen mit schußbereiten Waffen die Botschaft zu verlassen. In der Konferenzhalle drängte sich jedoch ein dicker Mann mit salbungsvollen Worten zwischen den Posten durch und näherte sich dem Tisch, an dem Saja Jatim saß. Während mehrere Gewehre auf seinen Kopf gerichtet waren, flüsterte er:
»Ich komme vom Mahdi, der alles bezahlt.«
»Sie auch? Ihr müßt in Bahrein ernste Probleme haben.«
»Ich verstehe nicht.«
»Wurde er durchsucht?« frage Saja einen Posten. Er nickte. »Dann nehmt die Gewehre weg.«
»Danke, Madame. Was für ein Problem in Bahrein meinen Sie?«
»Das wissen wir noch nicht. Wir haben den Befehl erhalten, einen von uns hinüberzuschicken. Er soll dort Näheres erfahren und uns dann informieren.«
MacDonald blickte starr in die Augen über dem Schleier, und ein scharfer Schmerz schnitt ihn in die Brust. Was war los? Warum wurde er von Bahrein übergangen? Was für Entscheidungen hatte man über seinen Kopf hinweg getroffen? Warum? Was hatte die Araberhure getan? »Madame«, fuhr er langsam und mit wohlüberlegten Worten fort, »von dem Problem in Bahrein höre ich zum erstenmal. Ich bin mit einer anderen nicht weniger ernsten Sache befaßt. Unser Wohltäter möchte umgehend darüber unterrichtet werden, wie die Anwesenheit einer gewissen Kalaila in Maskat zu erklären ist.«
»Kalaila? Unter uns gibt es keine Kalaila, aber Namen sind schließlich ohne Bedeutung, nicht wahr?«
»Sie ist nicht hier. Nicht hier drin, sondern draußen, und sie hat Verbindung zu Ihren Leuten – zu Ihrem Bruder, um genau zu sein.«
»Zu meinem Bruder?«
»O ja. Ich spreche von drei ausgebrochenen Häftlingen, die es sehr eilig hatten, sich auf der Straße in die Dschabal Scham mit ihr zu treffen – mit dem Feind.«
»Was sagen Sie da?«
»Wir verlangen eine Erklärung. Der Mahdi besteht darauf.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Es stimmt, drei Gefangene sind geflohen – mein Bruder mit Yosef und dem anderen Abgesandten unseres Wohltäters, einem gewissen Amal Bahrudi aus Ost-Berlin.«
»Ost... Madame, Sie sind zu schnell für mich.«
»Wenn Sie wirklich vom Mahdi kommen, bin ich überrascht, daß Sie nicht über ihn Bescheid wissen.« Saja Jatim unterbrach sich, und ihre großen Augen forschten in MacDonalds Gesicht. »Sie könnten von irgendwem kommen – und von überall her.«
»Hier in Maskat bin ich der einzige Vertreter des Mahdi. Rufen Sie in Bahrein an, dann wird man es Ihnen sagen, Madame.«
»Sie wissen sehr gut, daß solche Anrufe nicht erlaubt sind.« Saja Jatim schnippte mit den Fingern, und ihre Wachen stürzten herzu. »Bringt diesen Mann in den Ratssaal. Dann weckt meinen Bruder und Yosef und sucht Amal Bahrudi. Wir müssen uns beraten – und zwar sofort.«
Die Kleidung, die Kendrick für sich heraussuchte, entsprach ungefähr der Kleiderordnung der Terroristen: ungebügelte Khakihose, eine gefleckte Kampfjacke und ein dunkles Hemd, das fast bis zum Gürtel offenstand. Von den meisten dieser Typen unterschied er sich nur durch sein Alter und durch seine Augen. Aber sogar die Jahre waren durch die künstlich gebräunte Haut wie weggewischt, und seine Augen wurden vom Schild einer Segeltuchmütze fast verdeckt. Um das Bild zu vervollständigen, befestigte er ein in einer Scheide steckendes Messer an der Jacke, und ein Revolver beulte die rechte Tasche aus. Man vertraute dem »Getreuen«; er hatte das Leben von Asra, dem Kronprinzen der Terroristen, gerettet und durfte sich daher in der besetzten Botschaft frei bewegen, von einer gräßlichen Szene zur anderen, von einer Gruppe verängstigter, erschöpfter, hoffnungsloser Menschen zur nächsten.
Hoffnung. Sie war alles, was er
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