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Der illustrierte Mann

Der illustrierte Mann

Titel: Der illustrierte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Sie nie haben werden – ein kleines bißchen einfachen Glauben, mit dem sie Berge versetzen können. Sie aber, Sie sind wütend, weil jemand Ihnen die Schau gestohlen hat!«
    »Ich gebe Ihnen noch fünf Sekunden zum Ausreden«, bemerkte der Kapitän. »Ich verstehe. Sie haben lange unter starker nervlicher Belastung gestanden, Martin. Monatelang im Weltraum unterwegs, Heimweh, Einsamkeit. Und jetzt, da Ihnen dieses Geschehnis begegnet, fühle ich mit Ihnen, Martin. Ich will Ihnen diese geringfügige Insubordination verzeihen.«
    »Aber ich verzeihe Ihnen nicht Ihre Leuteschinderei«, erwiderte Martin. »Ich scheide aus. Ich bleibe hier.«
    »Das können Sie nicht tun!«
    »Kann ich nicht? Versuchen Sie doch, mich zu hindern. Hiernach habe ich gesucht. Ich wußte es nicht, aber dies ist es. Danach habe ich mich gesehnt. Tragen Sie Ihren Schmutz anderswohin und besudeln Sie andere Nester mit Ihrem Unglauben und Ihrer – wissenschaftlichen Methode!« Er blickte rasch in die Runde. »Diese Leute haben ein Erlebnis gehabt, und Ihnen will es einfach nicht in den Kopf gehen, daß es wirklich geschehen ist und wir das große Glück haben, fast noch im rechten Augenblick hier anzukommen, um daran teilnehmen zu können.
    Die Leute auf der Erde haben seit zwanzig Jahrhunderten über diesen Mann geredet, nachdem er über eben diese alte Erde gewandelt ist. Wir alle haben uns gewünscht, ihn sehen und hören zu können, und hatten doch nie die Gelegenheit. Und jetzt, heute, sind wir nur um ein paar Stunden zu spät gekommen, um ihn zu sehen.«
    Kapitän Hart blickte auf Martins Wangen. »Sie weinen wie ein kleines Kind. Hören Sie auf.«
    »Das schert mich nicht.«
    »Mich aber. Wir müssen unser Gesicht vor den Bewohnern dieses Planeten wahren. Sie sind überanstrengt. Wie ich bereits sagte, verzeihe ich Ihnen.«
    »Ich wünsche Ihre Verzeihung nicht.«
    »Sie Idiot. Sehen Sie denn nicht, daß dies einer von Burtons Tricks ist, mit dem er diese Leute zum Narren hält, um sie zu prellen, um seine Öl- und Erzkonzerne unter einem religiösen Mäntelchen errichten zu können! Sie sind ein Narr, Martin. Ein gewaltiger Narr! Sie sollten die Erdmenschen inzwischen kennengelernt haben. Sie schrecken vor nichts zurück – Blasphemie, Lüge, Betrug, Diebstahl, Mord, wenn sie damit ihr Ziel erreichen können. Alles ist recht, wenn es Erfolg verheißt; und Burton ist eben der geborene Wichtigtuer. Sie kennen ihn!« Der Kapitän lachte verächtlich.
    »Besinnen Sie sich, Martin, geben Sie es zu; das ist genau die Lumperei, zu der Burton fähig wäre – diese Leute einzuseifen und auszunehmen, wenn er sie weichgemacht hat.«
    »Nein«, sagte Martin, bereits nachdenklich geworden.
    Der Kommandant hob beschwörend die Hand. »Das ist Burton. Er ist es. Das ist seine Gemeinheit, seine kriminelle Art. Doch ich muß diesen Satan bewundern. Schneit hier von einem Heiligenschein umgeben herein, spricht da ein sanftes Wort, zeigt dort Güte und Mitgefühl, verabfolgt hier die richtige Salbe und dort ein paar Heilstrahlen. Das kann nur Burton sein!«
    »Nein.« Martins Stimme klang ganz benommen. Er schlug die Hände vor die Augen. »Nein, ich kann's nicht glauben.«
    »Sie wollen es nur nicht glauben«, fuhr Kapitän Hart eindringlich fort. »Geben Sie's nur zu. Geben Sie's zu! Das ist genau das Ding, das Burton drehen würde. Hören Sie auf, am hellen Tag zu träumen, Martin. Wachen Sie auf!«
    Martin drehte sich um.
    »Schon gut, Martin«, sagte Hart, ihm mechanisch auf die Schulter klopfend. »Ich verstehe. Ist ein ziemlicher Schock für Sie. Ich weiß. Eine Niedertracht ohnegleichen und noch mehr. Dieser Burton ist ein Schuft. Gehen Sie jetzt und nehmen Sie's nicht so tragisch. Überlassen Sie mir den Rest.«
    Martin ging langsam zum Raumschiff zurück.
    Kapitän Hart sah ihm lange nach. Dann holte er tief Luft und wandte sich wieder der Frau zu, die er vor der Unterbrechung durch Martin befragt hatte. »So. Erzählen Sie mir etwas mehr über diesen Mann. Sie wollten gerade sagen, Madame ...?«
     
    Die Offiziere des Raumschiffes saßen an Klapptischen im Freien und verzehrten ihr Abendessen. Der Kapitän berichtete dem schweigenden Martin über das Ergebnis seiner weiteren Untersuchungen. Mit geröteten Augen und über seiner Mahlzeit brütend, hörte Martin zu.
    »Drei Dutzend Leute habe ich befragt, alle voll von demselben sentimentalen Gewäsch«, sagte der Kapitän. »Das ist Burtons Werk, dessen bin ich ganz sicher. Morgen oder

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