Der im Dunkeln wacht - Roman
nach seinem ersten missglückten Überfall seinen Modus operandi geändert hatte. Er hatte die Leine an ihren Enden mit Schlaufen versehen. Außerdem waren noch die Blume und die Fotografie hinzugekommen, die seltsame Botschaft nicht zu vergessen. Ob er seinen Modus operandi wohl noch einmal verändern würde?
Vor Irenes innerem Auge tauchten plötzlich die herausgerissenen Astern, die Bank im Rosenbeet, die tote Katze im Briefkasten und die Fußspuren in der frischgeharkten Erde auf, und ein Schauer überkam sie.
A uf der Spüle lag der Abholschein eines Päckchens an Krister, den dieser bereits mit seiner Unterschrift versehen hatte. Irene hörte seine Schritte in der Diele und rief:
»Was hast du bestellt?«
»Nichts. Ich weiß nicht, was das sein könnte.«
»Der Absender ist Expo Team APS, Dänemark«, las Irene vor.
»Vielleicht irgendwelche Küchengeräte. Wahrscheinlich Messer oder Töpfe. Irgendein Werbegeschenk für eine größere Bestellung. Das Restaurant hat vor mindestens einem halben Jahr neue Dunstabzugshauben und Arbeitsplatten von einem Unternehmen in Dänemark bestellt. Ich war zwar für diese Bestellung verantwortlich, aber trotzdem verstehe ich nicht, warum sie mir irgendwelche Sachen nach Hause schicken sollten. Wo haben sie außerdem meine Privatadresse her?«
Krister blickte nachdenklich drein. Dann zuckte er mit den Achseln. »Wir werden es hoffentlich erfahren, wenn wir das Päckchen abholen«, sagte er.
Es handelte sich um einen recht großen und schweren Karton. Krister löste das stabile Klebeband ab und öffnete ihn. Ganz oben lag ein Bestellschein. Er warf einen Blick darauf. Irene sah, dass sich sein Gesichtsausdruck veränderte, nicht mehr Erwartung, sondern Erstaunen.
»Soll das ein Witz sein?«, rief er.
Irene trat näher und warf einen Blick in den Karton. Als allererstes sah sie einen riesigen Dildo. In durchsichtiger Plastikverpackung. Darunter lag ein mit Nieten besetztes Suspensorium
aus schwarzem Leder, eine dazu passende Peitsche und rote Reizwäsche aus durchsichtigem Nylon. Ganz unten lagen eine aufblasbare Puppe sowie etliche Porno-DVDs, in denen es, nach dem Cover zu urteilen, um Sex mit Tieren ging.
»Neuntausend Kronen«, sagte Krister finster.
Irene nahm ihm den Bestellschein aus der Hand und las ihn genau durch.
»Die Sachen wurden an dem Tag bestellt, an dem deine Brieftasche verschwand. Sie sind mit deiner Kreditkarte bezahlt worden. Die Summe stimmt mit der überein, die von deinem Konto verschwunden ist. Der Dieb muss das also alles bestellt haben«, meinte sie beruhigend.
Ihr Mann schaute wütend in den Karton.
»Was machen wir damit?«
»Falls nicht irgendwas dabei ist, das du gerne behalten willst, schicken wir alles zurück«, erwiderte Irene mit einem spöttischen Lächeln.
Erst sah Krister nur wütend aus, aber nach einer Weile hellte sich seine Miene auf.
»Vielleicht hast du ja Lust auf diesen Riesenschwanz?«, meinte er.
»Wirklich nicht! Das hat nichts mehr mit Lust zu tun. Vierzig Zentimeter lang und dick wie ein Nudelholz. Das ist das reinste Folterinstrument!«
»Dann hast du, wie ich vermute, wohl auch keinen Sinn für die Peitsche …«
Krister nahm sie aus ihrem Karton und ließ sie durch die Luft pfeifen. Sie mussten beide lachen. Als sie angefangen hatten, konnten sie nicht mehr aufhören. Das Lachen war das Ventil, das sie beide brauchten, um das unbehagliche Gefühl abzuschütteln, das sie beim Anblick des Kartons erfasst hatte. Es dauerte eine Weile, bis sie wieder ernst genug waren, um sich weiter unterhalten zu können.
»Wir schicken die Sachen zurück. Aber wir fotografieren den Karton und seinen Inhalt erst noch und reichen die Bilder als Ergänzung der Anzeige bezüglich der gestohlenen Brieftasche nach«, sagte Irene und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln.
»Okay. Du kennst dich mit diesen Dingen aus«, sagte Krister und ging die Digitalkamera holen.
Später am Abend rief Jenny aus Amsterdam an. Sie war überhaupt nicht in Laune, sich über Belanglosigkeiten zu unterhalten.
»Ratet mal, von wo ich anrufe? Aus einer Telefonzelle. Irgendein verdammter Idiot hat meine Handynummer gesperrt!«
Sie war so wütend, dass sich ihre Stimme überschlug. Irene versuchte sie zu beruhigen:
»Warum sollte jemand deine Handynummer sperren?«
»Was weiß ich? Aber sie ist gesperrt!«
»Da muss ein Missverständnis vorliegen. Das ist nicht so einfach. Die Polizei kann natürlich Nummern sperren, aber
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