Der im Dunkeln wacht - Roman
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»Hast du ihn gefragt, wo er sich an den fraglichen Abenden jeweils zum Tatzeitpunkt aufgehalten hat?«
»Natürlich. Er sagt nur, dass er sich nicht genau erinnern kann. Wahrscheinlich sei er zu Hause gewesen und habe ferngesehen.«
Jonny schnitt eine vielsagende Grimasse.
»Können wir einen Durchsuchungsbefehl beantragen?«, fragte Irene.
»Ich kann mit dem Staatsanwalt reden. Natürlich wäre eine Hausdurchsuchung nicht schlecht, aber was wir haben, reicht als Grund nicht aus«, antwortete Thylqvist.
»Lass uns eine Gegenüberstellung veranstalten«, meinte Hannu.
Bei einer Gegenüberstellung könnte Marie Carlsson möglicherweise bestätigen, dass sie Daniel Börjesson Anfang des Jahres im ICA Maxi gesehen hatte. Irene dachte darüber nach, kam dann aber zu dem Schluss, dass das nichts bringen würde.
»Das reicht für Untersuchungshaft nicht aus. Das beweist nur, dass er Marie Carlsson seltsame Fragen gestellt hat. Das ist nicht verboten. Er bestreitet ja auch gar nicht, in diesem Laden gewesen
zu sein. Wir brauchen handfeste Beweise. DNA, Fingerabdrücke, Haare … Nichts deutet darauf hin, dass Daniel Börjesson eine Katze besitzt. Ich habe darauf geachtet«, sagte sie.
»Dann müsst ihr ihn einfach weiter in die Mangel nehmen«, entschied die Kommissarin und erhob sich. »Wir sehen uns heute Nachmittag, dann erkundige ich mich, ob etwas dabei herausgekommen ist«, sagte sie und verschwand aus dem Zimmer.
Nach dem Abgang der Chefin blieb es einen Augenblick still.
»Jetzt muss ich mir noch eine Tasse holen. Schließlich muss ich mich vor der munteren Vernehmung des Irren noch etwas stärken«, verkündete Jonny.
»Holt euch alle noch eine Tasse. Ich muss euch etwas erzählen«, sagte Irene.
Dann berichtete sie ihnen von den dramatischen Vorfällen des Vortags. Danach kündigte sie an, dass sie sich nach dem Mittagessen entfernen werde, um sich um ihr verwüstetes Zuhause und ihren verletzten Ehemann zu kümmern.
»Und du? Wie geht es dir?«, fragte Sara leise.
Das waren die ersten Worte, die sie an diesem Morgen äußerte. Was sollte man auf so eine Frage antworten? Irene entschied sich dafür, beruhigend zu lächeln, merkte aber selbst, wie schwer ihr das fiel. Sara sah auch nicht sonderlich überzeugt aus.
»Das erklärt die Schnittverletzungen in deinem Gesicht. Ich hatte mir schon überlegt, ob du dich vielleicht nachlässig rasiert hast«, wieherte Jonny.
Irene begnügte sich damit, ihm die Zunge herauszustrecken. Die anderen lachten, und die Stimmung im Zimmer entspannte sich etwas.
»Ich würde mich auch gerne mit Daniel Börjesson unterhalten. Als wir vor Ort waren, habe ich mich, so gut es ging, umgesehen. Es gibt ein paar Dinge, für die ich gerne eine Erklärung hätte. Und es wäre besser für ihn, wenn diese Erklärungen auch stichhaltig wären«, sagte Irene.
Sie versuchte forscher zu klingen, als sie sich fühlte. Sie nahm sich fest vor, nach dem Gespräch mit Börjesson nach Hause zu fahren.
Daniel Börjesson sah aus wie am Vorabend. Das lange abendliche Verhör schien ihm nicht das geringste ausgemacht zu haben. Er saß da mit derselben ausdruckslosen Miene wie am Vortag. Deutlicher Schweißgeruch umgab ihn. Irene meinte auch den schwachen Spülmittelgeruch wahrzunehmen.
Bevor Irene und Jonny noch mit der Vernehmung beginnen konnten, betrat Efva Thylqvist das Zimmer. Sie sah in ihrer tadellosen Uniform, die an Schultern und Hüften perfekt saß, umwerfend aus. Diese Uniform trug sie immer zu offiziellen Anlässen, in diesem Falle wahrscheinlich für die am Nachmittag anberaumte Pressekonferenz. Daniel musterte sie mit ausdrucksloser Miene, wandte den Blick dann aber ab. Er wusste, wer die Vernehmung leiten würde, und konzentrierte sich daher auf Irene. Die Kommissarin warf ihm ebenfalls einen langen Blick zu und wandte sich dann an Jonny, der genau außerhalb von Börjessons Blickwinkel an der Wand Platz genommen hatte. Es sollte deutlich werden, dass Irene das Verhör leitete.
»Ich glaube, du hast noch die Autoschlüssel«, sagte Thylqvist und streckte die Hand aus.
Jonny kramte in den Taschen seines Jacketts und reichte der Kommissarin dann die Schlüssel, eine Entschuldigung murmelnd. Thylqvist nahm sie mit einem gnädigen Lächeln entgegen, drehte sich um und verschwand aus der Tür.
Irene beschloss, mit der Good Cop-Methode zu beginnen.
»Guten Morgen. Wir sitzen also wieder beisammen. Wir haben eigentlich nur noch ein paar Ergänzungsfragen. Das
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