Der im Dunkeln wacht - Roman
fuhr sie zusammen mit Felipe mit dem Fahrrad dorthin, aber nicht immer. Außerdem hatte sie viele Freunde, die sie abends traf. Vor allen Dingen am Wochenende. Irene musste einfach einsehen,
dass das gesellige Leben ihrer Tochter nach Einbruch der Dunkelheit stattfand. Es dauerte eine Weile, bis Katarina antwortete. Zum Erstaunen ihrer Mutter klang die Stimme ihrer Tochter sehr gespannt.
»Ich glaube … ich glaube in der Tat, dass mir bereits etwas zugestoßen ist. Ich habe riesige Pflaster auf beiden Knien und auf den Handflächen. Sie sind vollkommen zerkratzt.«
Irene umklammerte den Hörer.
»Was ist passiert?«
»Die Bremsen meines Fahrrads funktionierten nicht. Weder die am Vorderrad noch die am Hinterrad. Ich war etwas spät dran und hatte den Hang hinter dem Redbergsplatsen hinunter ein wahnsinniges Tempo. Da hielt ein Auto an der Bordsteinkante. Ich versuchte zu bremsen, aber es geschah nichts. Ich konnte mich also nur noch auf den Gehsteig werfen. Ich flog in eine Richtung, das Fahrrad in die andere. Meine neue Jeans hat Löcher. Es ist wirklich verdammt ärgerlich!«
»Und du selbst … bist mit Schürfwunden davongekommen?«, wollte Irene besorgt wissen.
»Glücklicherweise war Felipe zu Hause. Ich rief ihn an, und er brachte mich und das Fahrrad nach Hause. Aber das Fahrrad ist nur noch Schrott. Felipe sagt, dass jemand beide Bremsen manipuliert hat. Sie waren nach außen gebogen, sodass sie die Felgen nicht mehr berührten konnten. Man sah es nicht, aber zu spüren bekam ich es dann umso deutlicher!«
Der Kloß in Irenes Hals wurde immer größer. Sie zwang ihn hinunter, indem sie mehrere Male schluckte. Schließlich brachte sie mit Mühe hervor:
»Wann war das?«
»Heute Morgen. Ich musste die Vorlesungen heute Vormittag ausfallen lassen, aber das waren nur zwei. Nach dem Mittagessen bin ich dann wieder in die Uni gegangen.«
»Katarina, sag Felipe, er soll das Fahrrad nicht anfassen. Morgen
kommen wir … also die Polizei … und holen es ab. Wir müssen wissen, ob es sich wirklich um Sabotage handelt oder ob es eine natürliche Erklärung für die Beschädigung der Bremsen gibt«, sagte Irene und warf einen Blick auf Lars Holmberg.
Nachdem Irene das Gespräch beendet hatte, berichtete sie kurz, was ihrer Tochter zugestoßen war. Ehe Lars Holmberg die Treppe hinunter verschwand, versprach er, sich mit Katarina in Verbindung zu setzen und das Fahrrad untersuchen zu lassen.
Irene setzte sich auf die Bettkante. Es half nicht mehr, an die Atmung zu denken. Sie zitterte am ganzen Körper, und ihr Herz raste. Erst als Egon auf ihren Schoß kroch und sich dort hinlegte, wurde sie ruhiger. Sie saß lange da und strich über das seidige Fell des Hundes.
Sich selbst Gefahren ausgesetzt zu sehen, damit konnte sie umgehen. Das gehörte manchmal zur Arbeit. Aber dass jemand das Leben ihrer Liebsten bedrohte, das konnte sie nicht einfach passiv hinnehmen. Ein Gedanke nahm in ihr Gestalt an. Sie würde nicht fliehen und sich verstecken. Jetzt würde sie zur Jägerin werden.
»Pass auf, du Schwein«, sagte sie leise.
Sie bekamen ein hübsches Zimmer im Hotel Heden. Krister traf dort kurz nach Mitternacht ein. Mit Erleichterung hatte er vom Arzt vernommen, keine Sehne sei ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Wunde würde innerhalb einer Woche verheilen. Und obwohl die Sehnen zwar nicht beschädigt waren, mussten einige größere Blutgefäße genäht werden. Ein Handchirurg wurde für die Operation herangezogen. Er gab Krister eine Tetanusspritze und Antibiotika, da die Wunde so tief war. Am meisten störte Krister, dass man ihn krankgeschrieben hatte. Er wollte zunächst protestieren, aber der Arzt ermahnte ihn beharrlich und streng, mindestens eine Woche lang nicht zu arbeiten. Widerwillig hatte Krister schließlich eingewilligt.
Als Irene ihm von Katarinas Fahrradunfall erzählte, war er sehr bestürzt. Sofort schlug er vor, sie und Felipe ebenfalls ins Hotel zu holen, aber bei näherem Nachdenken überlegte er es sich doch anders. Katarina und Felipe waren beide erwachsen und hatten acht Monate lang in Brasilien gewohnt, so weit entfernt von Mama und Papa, wie es nur denkbar war. Auch dort waren sie zurechtgekommen.
Da sie jetzt über die Bedrohung Bescheid wussten, würden sie sich sicher zu helfen wissen.
Natürlich hatte Irene Zahnbürsten und Zahncreme vergessen, aber beides konnte man an der Rezeption kaufen. Nachdem sie geduscht hatten, krochen sie in die kühle
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