Der Implex
und umfassender Erläuterung des von diesen gebrauchten Ideologiebegriffs finden als diejenige, die Engels in MEW 39 122 Franz Mehring brieflich mitteilt; auch Lenin empfiehlt, sich das ganze Kapital über die Lektüre, Wiederlektüre und das Auswendiglernen zweier Absätze aus einem 123 Brief von Marx an Engels zu erschließen.
Diese Sorte der nun wirklich auch formal den eigenen Namen erfüllenden Gegenöffentlichkeit – eine Mitteilungsweise, die entgegen der öffentlichen Kontur gewinnt und bewahrt – hat sich noch bis ins zwanzigste Jahrhundert erhalten, etwa in den Zirkularen der linksfreudianischen Opposition in der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung, angeregt und gesteuert nach freudianischen Vorbildern vom sozialistischen Psychoanalytiker Otto Fenichel.
Der Brief als Schauplatz der Unterscheidung von öffentlich und privat, als Medium aber auch von deren selbstähnlicher Reproduktion, dann wieder als Sprungbrett der Vorbereitung der Veränderung des Öffentlichen ist, um eine andere, in den Sub- und Gegenkulturdebatten des späten zwanzigsten Jahrhunderts aufgekommene Unterscheidung abzurufen, nach seiner persönlichen Seite ein Instrument der Dissidenz , wendet man ihn aber ins Öffentliche – als »offenen Brief« –, so wird er eine Maschine des Protests (Protest wendet sich an die Macht, Dissidenz wendet sich von ihr ab und ihrer eigenen Verfassung zu, Protest ist appellpolitisch, Dissidenz bewegungspolitisch).
Seit dem Aufkommen der vom Brief denkbar weitestentfernten Kommunikationskanäle aber, der Massenmedien, hat die Interpenetration des Öffentlichen und des Privaten an einer ganz anderen Schnittstelle einige fiebrige Entzündungen erlitten: am Verhältnis von Staat (öffentlich-rechtliche Kommunikationsermöglichung und -absicherung) und Markt (Medienkonzernwesen).
VII.
Das Geld, an alle: Ihr seid mein Markt
1996 gab der Telecommunications Act in den USA den Startschuß zur weltweit größten Deregulierungsoffensive auf dem Medienmarkt, die es je gegeben hat.
Die Hälfte aller Radiostationen wechselte in den darauffolgenden fünf Jahren den Besitzer, nicht zufällig beginnt parallel zu dieser Konzentration im Land eine Offensive des populistischen, nationalistischen, rechten Talk Radios und überhaupt der rechten Sender in Funk und Fernsehen (eine halbe Stunde »Fox News«, und man hält den Springerkonzern für ein Projekt der Erben der Kritischen Theorie). Viacom kauft CBS, AOL verschmilzt mit Time Warner, die FCC, eine Behörde zur Senderegulation, ist ein Jahr nach Verabschiedung des Wildwest-Gesetzes nur noch dazu da, »to referee fights between the wealthy and the super wealthy«, wie der neue Vorsitzende William Kennard damals von einem seiner Vorgänger erfuhr. Bald waren Firmen entstanden, die das zehnfache Volumen der größten Medienkonzerne hatten, die ein Menschenalter zuvor die Mediengeographie bestimmt hatten. Was unter solchen Bedingungen aus dem nicht erpreßten, nicht erpreßbaren, tugendhaften Trägerwesen der Meinungsfreiheit wird, braucht nicht erläutert zu werden.
Alle diese Vorgänge spielten und spielen sich jenseits jeder öffentlichen Kontrolle ab, neunzig Prozent der massenmedienkonsumierenden Menschenmehrheit weiß davon nichts: Wem diese Medien gehören, wie sie Lobbypolitik machen, wer ihnen die Wege freiräumt, die Lizenzen erteilt, das alles steht den Leuten, die von diesen mächtigen Sendern bedröhnt werden, so anonym gegenüber, wie umgekehrt die Medieninhaber meist allen demoskopischen Erhebungen zum Trotz immer noch nicht jederzeit wissen, wer wann wo was wahrnimmt, was da gedruckt, ins Netz gestellt und gesendet wird – wie Luhmann lehrt, gehört es zu den funktionalen Eigenheiten der Massenmedien, »Intransparenz durch Transparenz« zu erzeugen, Intransparenz der Effekte nämlich durch suggerierte Evidenz der Informationen: Alle sehen, was gesendet wird, aber jeder Reichweitenzugewinn solcher Sendungen macht unwahrscheinlicher, daß das gesellschaftliche Verhältnis zwischen Sendern und Empfängern dabei selbst noch mitthematisiert werden kann. Das Bemerkenswerte ist, daß Luhmann mit dieser Formel »Intransparenz durch Transparenz« 124 eine viel bündigere, viel weniger teleologische (und damit, nebenbei, viel weniger fatalistische) Beschreibung dessen gibt, was Adorno und Horkheimer »Verblendungszusammenhang« nennen, die sich mit der ein wenig hilflosen Weltgeistpantomime begnügen müssen, die Aufklärung selber (wer
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