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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Funke, das transzendente je-ne-sais-quoi fehlt, welches eben den »real writer« ausmache, als der er angesehen werden will.
    Wie die Figur Willow Rosenberg am Ende der sechsten Buffy -Staffel könnte so ein »real writer« von sich sagen, daß er die Magie nicht nur nutzt, sondern: »I am the Magicks.«
     
    Wie ist der hier scheinbar vorliegende Widerspruch zwischen Priester und Klempner, Seher und Ingenieur aufzulösen, unter den die Künstler des populären Unwirklichen ihr Selbstbild setzen? Liegt überhaupt einer vor? Muß jede derartige Selbstbeschreibung nicht sowieso zusammenzwingen, was nur zufällig zusammenhängt: das gültige Kunstwerk samt den in ihm erkennbaren Arbeitsspuren einerseits und die zufälligen Menschen, die es geschaffen haben, andererseits?
    Was immer sonst falsch gewesen sein mag am New Criticism, einer seiner Gedanken war wasserdicht: Das je-ne-sais-quoi ist zwar auf der produktiven Seite unerläßlich (Einflüsse, Einflüsterungen, Zufälle und Zaubertricks), aber für die Rezeption und die Analyse ist das alles vernachlässigbar.
    Man muß nicht wissen, welcher Dickens-Roman Joss Whedon der liebste ist, damit man beim Fernsehen um Willows tote Freundin Tara weinen oder ihre Geschichte als Erzählstruktur untersuchen kann.
    Zwar war es wirklich der empirische, von irgendeiner Lektüre oder Lebenserfahrung durchgeschüttelte Joss Whedon und nicht die Immanenz narrativer Strukturgesetze oder sonst ein Weltgeist, der beschlossen hat, daß Tara in der sechsten Staffel stirbt.
    Aber vom Spinner und Träumer wird er, sich in den Dialog des künstlerischen Materials mit sich selbst begebend, im Moment der Schöpfung eben zu mehr: dem träumenden Klempner, zum rechnenden Spinner, und dieses Mehr verschwindet zugleich im Werk, sobald es aufscheint.
    Klammert man, wie der New Criticism das wollte, die Seite des Genusses (des Publikums) ebenso aus wie die der Selbstbeschreibung der Künstler und schaut sich die Formdynamik allein an, fällt einem schnell die Stelle auf, an deren nicht zu übertreffender Wichtigkeit das objektive, berechnete Moment der Werke ebenso Anteil hat wie das persönliche, psychologische: die sogenannte Idee.
    Damit gemeint ist im Phantastischen immer der »seltsame Einfall« der jeweiligen Geschichte, das »Monster der Woche«, wie man bei Fernsehleuten spottet.
    Hier sind die Magicks zuhause.
    Denn am Einfall muß der Zug »Wirklichkeitssinn« entgleisen, wenn er von der Erfahrungsschiene kommen will: Die unwirkliche Idee, das Bild, die Metapher, oder um im Schienenbild zu bleiben, die Weiche, muß gestellt sein.
    Im Diesseits ist sie unsichtbar, weil sie ins Jenseits führt.
    Tragende Einfälle dieser Art, gute, konventionalisierbare Ideen, also Bildinhaltsfestlegungen, Verschobenes, Verhängtes, Aus- und Eingefallenes sind derjenige Dreh- und Angelpunkt im Leib der unwirklichen Kunst, der Ort, wo ihr Zufälliges und ihr Notwendiges heiße Hochzeit feiern: ihr Witz, ihr Leben, ihr Salz. Man muß diese Vorstellung und die Begriffe, mit denen man sie eingrenzt, deshalb so genau fassen wie möglich.
    »Idee« klingt luftig. Das Wort meint jedoch ein Ding, auf dessen Vorhandensein zum Beispiel in einem Skript man mit dem Finger zeigen kann, nicht ein bloßes Hilfskonstrukt zur Verlegung des Möglichen ins schwer Greifbare wie »die Phantasie«. Einfälle hat freilich auch der Wissenschaftler oder überhaupt jeder Interpret irgendwelcher Daten – das Äquivalenzprinzip der Relativität, die natürliche Zuchtwahl, der Satz des Pythagoras oder der Gedanke, daß alle bisherige Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen sei, sind Ideen, aber bis jetzt hat Buffy es noch mit keiner vergleichbaren zu tun gehabt. Um was für Ideen es beim künstlerisch Unwirklichen statt dessen geht, kann man an einer Auswahl von Werken aus dem Großreich Fantastika relativ unproblematisch illustrieren:
Ein großer Asteroid nähert sich der Erde, schwenkt in eine Umlaufbahn ein und wird von Astronauten erkundet. Dabei stellt sich heraus, daß er innen hohl ist und ein paar verlassene Städte, insgesamt sieben leere Kammern beinhaltet. Die siebte Kammer besteht aus einem unbegreiflichen »Weg« – einer geometrodynamisch verformten, virtuell »geraden« Strecke, die länger ist, als sie sein dürfte, sofern man die äußeren Abmessungen des Steins berücksichtigt.
Eine Frau hat einen Sohn, von dem sie weiß, daß er der Messias ist. Natürlich glaubt ihr keiner; sie landet also im Irrenhaus. Der

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