Der Implex
vernünftigen Schlußfolgerung etwas unvergleichlich Befreiendes hat, also wird es allen so gehen«: Der Irrtum entfaltet seine Virulenz immer da, wo der Emanzipationserfolg im eigenen Kopf mit der politischen Lage verwechselt wird, weil die, die ihn errungen haben, sich nicht mehr in jene hineinversetzen können, die nicht wissen, was sie wissen, weil die Emanzipierten und Emanzipationswilligen nicht mehr vergessen können, was sie herausgefunden haben.
III.
Verstand und Affekt: Kleine Psychoökonomie des Umsturzes
Der soziale Revolutionsgedanke ist ein gedankenförmiger Verwandler ganzer Gedankenwelten, in dieser Eigenschaft aber erleben ihn alle, die ihm je historisch Wirkung zu verschaffen vermocht haben (nicht immer revolutionäre Wirkung übrigens), als Verstandesleistung, nicht als etwas Affektives, auch wenn sie dann von Robespierre bis Rosa Luxemburg meist einiges Feuer dabei aufbringen, ihn zu artikulieren. Viele, die diesen Gedanken nicht mit- und nachvollziehen können und wollen, müßten bei aufrichtiger Selbstbeobachtung allerdings bemerken, daß es Affekte und nicht Vernunftüberzeugungen sind, die sie hindern und hemmen – zum Beispiel die nur allzu plausible Angst vor Strafe, Gegengewalt, Reaktion. Die eigentliche Eroberung der Staatsmacht durch die Revolution vollzog sich sowohl in Frankreich wie später in Rußland, erst recht aber in Amerika, wo die Revolution darin bestand, daß sich auf in vielerlei Hinsicht betreffend die Reichweite der Entscheidungen des geographisch fernen Souveräns sehr rechtsunsicherem, ja fast gesetzlosem Kolonialgebiet überhaupt erst eine effektive Staatsmacht konstituierte, zunächst überwiegend unblutig; erst der Versuch verbliebener Reste angestammter, auch quasikolonialer oder quislingshafter, nicht immer im nationalstaatlichen Rahmen regierender und häufig ausländischer Feinde der Revolution, dieser den Garaus zu machen und die im Entstehen begriffene neue Staatsmacht zu zerschlagen, bahnte Bürgerkrieg, Terror und anderen im dramatischen massenmedial vermittelten Geschichtsbewußtsein der Gegenwart für wesentlich am revolutionären Geschehen gehaltenen Scheußlichkeiten den Weg.
Alle einigermaßen aufgeklärten Menschen wissen, daß da, wo die Affekte sich bemerkbar machen, manchmal der Verstand stillsteht. Widerfährt das denen, die der Revolutionsgedanke erschreckt, dann versuchen sie oft, das, was sie nicht denken können, mit anderen Mitteln als dem Verstand zu beurteilen, etwa indem sie die in ihnen tobenden Affekte gefühlsmäßig gegeneinander abwägen oder projektive Vermutungen darüber anstellen, von welchen Affekten (Sozialneid, Trotz, Haß) nun wieder umgekehrt die Revolutionärinnen und Revolutionäre getrieben sein könnten, was oft den fatalen Nebeneffekt hat, daß die sie beobachtenden Revolutionärinnen und Revolutionäre zu dem Schluß kommen, daß der Revolutionsgedanke eine Schwelle darstellt, deren geistige Übertretung offenbar soviel Energie kostet und so sehr davon bedroht ist, daß man sich von Außenangst sofort wieder hinter jene zurückprügeln läßt, daß jener Gedanke sich überhaupt nur dann Geltung auf der wirklichen Welt verschaffen könnte, wenn die historische Lage der Eingeschüchterten ihn ganz und gar unvermeidlich mache. Zahllose schlechte, vulgäre, grobschlächtige Revolutionstheorien sind aus diesem Grunde Zuspitzungstheorien, die Verelendungstheorien aufsitzen. Naive Menschen, die zwar keine Rechenfehler bei ihrer Deduktion, wonach eine Revolution nötig sei, gemacht haben, sich aber etwa durch ungünstigen Geschichtsverlauf unter den Zwang gesetzt sehen, sich und anderen zu erklären, warum sie damit so vergleichsweise allein dastehen, also nicht nur die gegen sich haben, die aus dem morschen Bestehenden einen Nutzen ziehen, sondern auch diejenigen, aus deren Menge eigentlich das berühmte revolutionäre Subjekt zu rekrutieren wäre, kommen auf diesem Weg zu dem Schluß, Revolutionen würden nicht nur bloß in den allerärgsten Lagen von denen für nötig gehalten, die sie vollbringen müssen, sondern passierten überhaupt nur, wenn sie unvermeidlich sind – so hat man das marxistische (und nicht immer ganz Marxsche) Schlagwort von der »revolutionären Situation« auslegen wollen, dabei ist damit etwas viel Bescheideneres gemeint, eine Negation: Wenn die Revolution nicht drin ist, passiert sie nicht, über irgendwelche hinreichenden Bedingungen ihres Eintretens ist damit nichts gesagt (oder wie Peter Hacks
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