Der Indianerlord
Eindruck, ihr Interesse würde ausschließlich Mayfair gelten. Tagsüber kümmerte sie sich vorbildlich um den Haushalt und ging ihm aus dem Weg. Oder er war es, der ihre Gesellschaft mied.
Und nachts ...
Inzwischen bereute er seinen Wutanfall, der ihn veranlasst hatte, ihr Nachthemd zu zerreißen. Aber als er am nächsten Abend in ihr Bett kroch, stellte er erfreut und belustigt fest, dass sie nackt unter der Decke lag. »Endlich nimmst du dir das Gelübde des Gehorsams zu Herzen.«
»Niemals werde ich dir gehorchen.«
»Das hast du doch getan.«
»Ich versuche nur, meine Garderobe zu schonen. Eigentlich müsste ich ja Schadenersatz verlangen.«
»Soll ich dir vielleicht neue Nachthemden kaufen?«
»Gib mir Geld, und ich ersetze sie lieber selber.«
»Ah! Aber du brauchst gar keine Nachthemden.« Gespannt wartete er. Wann würde sie ihn um das Geld bitten, das sie offensichtlich benötigte?
Hilf mir schnell. Das hatte in jenem Telegramm gestanden. War es eine Bitte um Geld?
»Du bist einfach unmöglich«, klagte sie.
»Eher ungeduldig. Komm her zu mir.«
»Wenn du etwas willst ... «
»Natürlich, ich weiß schon - dann muss ich's mir nehmen.«
»Bist du immer so hartnäckig?«
»Immer.«
Doch sie beharrte ebenso eigensinnig auf ihrem Standpunkt. Jede Nacht liebte er sie, und jede Nacht blieb sie passiv.
Seine Unzufriedenheit wuchs ebenso wie sein Unbehagen. Unentwegt musste er an Skylar denken - wenn er Gehälter auszahlte, mit Willow über die Ländereien ritt oder die Rinder auswählte, die er Crazy Horse schenken wollte.
Um sich Skylars Einfluss zu entziehen, verbrachte er eine Nacht in seinem eigenen Zimmer. Aber das nutzte ihm nichts. Er fühlte sich genauso enttäuscht und unbefriedigt. Und sobald er sie verließ und nach Norden ritt, würde ihn die Sehnsucht noch schmerzlicher quälen. Davon durfte sie natürlich nichts wissen.
Am Abend vor der Abreise saß er in seinem Büro, versuchte sich auf einige Abrechnungen zu konzentrieren und überlegte in Wirklichkeit, ob es sehr leichtsinnig wäre, Skylar allein zu lassen.
Plötzlich klopfte es an der Tür, und Sandra steckte lächelnd den Kopf herein. »Darf ich dich stören?«
»Bitte.«
Als sie an den Schreibtisch trat, erlosch ihr Lächeln. »Ich muss dir etwas über deine Frau erzählen.«
»Oh?«
»Heute ist sie nach Gold Town geritten.«
»Was?« fragte er verwirrt.
Sandra nickte. »Vorher studierte sie die Landkarten in deiner Bibliothek. Es fiel ihr nicht schwer, ein Pferd zu satteln und sich davonzustehlen. Aber ich beobachtete sie und folgte ihr.«
Nachdenklich lehnte er sich zurück. Unter normalen Umständen hätte er Sandra verboten, ihrer Herrin nachzuspionieren. Aber die Umstände waren nicht normal. »Was tat, sie denn?«
»Sie ging zu Henry Pierpont.«
»Ah ... « Hatte Skylar herausgefunden, dass sie das Haus und einen Großteil des Grundbesitzes erben würde, wenn er um eine Annullierung ansuchte? »Und dann?«
»Nachdem sie das Telegrafenamt aufgesucht hatte, ritt sie zurück. «
»Danke«, murmelte er geistesabwesend und klopfte mit seiner Schreibfeder auf die Löschblattunterlage.
»Interessiert's dich, was sie mit Mr. Pierpont besprochen hat?«
»Das weißt du?«
»Nun, ich schlich zu einem offenen Fenster«, gestand Sandra lächelnd. »Sie erkundigte sich, ob sie ein eigenes Einkommen habe, und Mr. Pierpont erklärte, darüber müsse sie mit dir reden.«
»Guter alter Henry!« seufzte Hawk.
Im Grunde war es verständlich, dass Skylar etwas Geld für ihre persönlichen Ausgaben benötigte. Aber er wollte herausfinden, warum sie so versessen darauf war. Offensichtlich hing es mit irgendjemandem im Osten zusammen. Mit einem Liebhaber? Wenn sie auch keine intime Beziehung eingegangen war, könnte sie doch verliebt gewesen sein.
Lächelnd nickte er Sandra zu. »Nochmals vielen Dank.«
»Sicher habe ich dir eine wichtige Information gegeben.«
»Vielleicht.«
»Ich werde ihr niemals erlauben, dir weh zu tun.«
»Sandra ... «
Zögernd hielt er inne. Er hatte sie in der Prärie gefunden, ein verwaistes Mädchen inmitten eines Sioux-Lagers. Alle anderen Bewohner waren während eines Crow-Überfalls getötet worden. Nur zu gern nahm sein Vater die Kleine auf, übertrug ihr einfache Haushaltspflichten und gab ihr Unterricht in Englisch und Geschichte. In ihren Adern floss das Blut weißer und womöglich, auch orientalischer Vorfahren. Deshalb fand er, sie müsse die Unterschiede zwischen den Kulturen
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