Der indigoblaue Schleier
gehörte zu einem Schloss an einer Truhe im Solar das Mangueiras, in der sich alle wichtigen Dokumente der Familie befänden und darüber hinaus noch etliche Wertsachen. Diese Truhe wiederum befände sich in einem geheimen Hohlraum, doch wo der zu finden sei, fiel ihm auch nicht ein, nachdem man ihm sämtliche Fingernägel gezogen hatte. Nun, Carlos Alberto würde sie aufstöbern, diese Truhe, und wenn er dafür das ganze Haus abreißen musste.
Miguel war, während die Eindringlinge sich an seinem Cognac gütlich taten, rasch in sein Arbeitszimmer gelaufen und hatte alle losen Dokumente unter sein Hemd geschoben. Ein dickes Auftragsbuch, das auf seinem Sekretär lag, konnte er in der Kürze der Zeit nicht verstecken. Es enthielt zwar keine großen Geheimnisse, dennoch behagte Miguel der Gedanke ganz und gar nicht, dass Fremde Einsicht in die Firmenunterlagen nehmen würden. Er hatte keine Ahnung, was Carlos Alberto hier zu finden hoffte. Bei der Andeutung, Miguel mache sich »mit Eingeborenen gemein«, war ihm das Herz in die Hose gerutscht. War seine Beziehung zu Amba publik geworden? Oder hatte Carlos Alberto sich einfach nur auf das Dienstmädchen bezogen, das Miguel gerettet hatte? Überaus beklommen ging Miguel in den Salon, um sich den »Vorwürfen«, die wahrscheinlich frei erfunden waren, zu stellen.
»Du hast es sehr schön hier, alter Freund«, begrüßte Carlos Alberto ihn, betont jovial.
»Nenn mich nicht ›alter Freund‹.« Miguel stand in der Mitte des Raums, Panjo saß zu seinen Füßen. Der Hund gab ein leises Knurren von sich, als habe er nicht nur die Äußerung seines Herrn verstanden, sondern wolle ihr auch Nachdruck verleihen.
»Nur dieser Straßenköter, der passt wirklich nicht hierher.«
»Bist du gekommen, um meinen Geschmack zu kritisieren?«
»Aber, aber, warum denn gleich so kratzbürstig? Ich hatte auf deine Kooperationsbereitschaft gesetzt.«
»Mein Angebot, dir bei der Suche, wonach auch immer, behilflich zu sein, hast du aber ausgeschlagen. Es macht eben doch mehr Spaß, in den Sachen anderer Leute herumzuwühlen und dabei – versehentlich, versteht sich – den einen oder anderen Gegenstand in die eigene Tasche gleiten zu lassen, nicht wahr?«
»Sieh dich vor, Miguel.« Carlos Alberto schwang seine Füße wieder zu Boden und erhob sich. Er trat auf Miguel zu, als wollte er ihn am Kragen packen, doch Panjo stellte sich ihm in den Weg. Der Hund fletschte die Zähne, sein Fell sträubte sich. Carlos Alberto versetzte ihm einen heftigen Tritt, so dass der Hund heulend durch den halben Raum flog und fiepend in einer Ecke liegen blieb.
Miguel versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie nahe ihm diese Tierquälerei ging. »Alle Achtung, Carlos Alberto, die wichtigste Lektion für alle Kreaturen, die von der Natur zu Versagern bestimmt sind und sich damit nicht abfinden können, beherrschst du schon recht gut: nach oben buckeln, nach unten treten. Bist wirklich ein ganzer Kerl, bestimmt wird noch etwas aus dir.«
»Beginnt mit der Suche«, sagte Carlos Alberto zu seinen Männern.
Miguel ging in gespielter Langeweile zu seinem Hund und hob ihn auf. Der traurige Blick aus Panjos Augen war zum Steineerweichen. Es war, als wolle der Hund sich dafür entschuldigen, seinen Herrn nicht besser verteidigt zu haben. »Scht«, beruhigte Miguel ihn. Er würde ihn sofort dem
mali
anvertrauen, nicht nur, damit dieser eventuelle Verletzungen behandeln konnte, sondern auch, um Panjo vor weiteren Misshandlungen zu schützen. Es war diesen Rohlingen zuzutrauen, dass sie, einfach nur aus Spaß daran, seinen Hund zu Tode quälten.
Während die Eindringlinge begannen, den Salon auseinanderzunehmen, ging Miguel mit Panjo nach draußen. Der Gärtner war in seiner Hütte, und Miguel schärfte seinem Hund ein, dort zu bleiben. Zurück im Haus, sah er, dass die Durchsuchung nun im Arbeitszimmer stattfand. Die Kerle leerten jede einzelne Schublade, stachen alle Polster und Kissen auf, klopften die Wände und Böden nach Hohlräumen ab, zerschnitten Gemälde, zertrümmerten Glas und Porzellan. Sie amüsierten sich prächtig bei ihrem Zerstörungswerk.
»Ein Jammer«, sagte Miguel zu Carlos Alberto, »diese französische Porzellan-Etagere hättet ihr besser heil gelassen. Sie war mehr wert, als du in einem Jahr verdienst, und mehr, als deine Spießgesellen in ihrem ganzen Leben je besitzen werden. Aber macht ruhig weiter. Meine Familie wird den Verlust schon verschmerzen können.« Er wusste, dass er
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